Darum gehts
Ihr Leben lang war Juliette einsam, eine Ausgestoßene – ein Monster. Ihre Berührung ist tödlich, man fürchtet sie, hat sie weggesperrt. Bis die Machthaber einer fast zerstörten Welt sich ihrer als Waffe bedienen möchten. Doch Juliette beschließt zu kämpfen – gegen die, die sie gefangen halten, gegen sich selbst, das Dunkel in ihr. An ihrer Seite ein Mann, zu dem sie sich unaufhaltsam hingezogen fühlt. Ihn zu berühren ist ihr sehnlichster Wunsch – und ihre größte Furcht …
Meine Meinung
Die Idee der Welt um Juliette ist gar nicht mal das Besondere in diesem Buch, vielmehr ist es Juliette selber. Denn Juliette hat eine Gabe; durch ihre Berührung kann sie Menschen töten. Deswegen ist es nur verständlich, dass Juliette seit je her von der Gesellschaft ausgegrenzt wird, die Menschen sind nun mal nicht nett und so muss die Hauptperson eine isolierte und von Schikanen geprägte Kindheit erleben, ehe man sie wegbringt. Die eigentliche Geschichte beginnt in einer Art Gefängnis, mit kalten Betonwänden und ohne Licht und nur zwei Minuten zum Duschen.
Sehr viel mehr möchte ich nicht erzählen, denn Dystopien sind sparsam an Details (meistens) und ich möchte ja nur ungerne spoilern. Es handelt sich um den ersten Band einer Trilogie, und Teil Zwei und Drei sind auch bereits erschienen.
Wie ich vorhin schon angemerkt habe, ist die Realistik des Buches sehr nah an unserer Welt angesiedelt. Dabei sind hauptsächlich die negativen Eigenschaften der Menschen in den Vordergrund gestellt worden. Es geht hier um Machtkämpfe, Perversitäten (So wird es von Juliette gesehen, wie pervers das nun wirklich ist, muss jeder für sich entscheiden. Ich bin der Meinung, wenn man Dystopien schon kennt und nicht gerade zart besaitet ist, kann man auch das lesen.) Ausgrenzung, Gehässigkeiten und Brutalität. Und das alles sind wesentliche Aspekte unseres täglichen Lebens. Natürlich gibt es auch kurze schöne Momente, je weiter man im Buch voranschreitet, desto ausgewogener und „positiver“ wird die Geschichte, was zum Teil an Juliettes Sicht auf die Welt liegt, aber auch an den Umständen.
Auch in diesem Buch gibt es zwei rivalisierende männliche Hauptcharaktere, Adam und Warner. Wer von den beiden der „Gute“ und wer der „Böse“ ist, merkt man dann beim lesen, wobei ich die Vermutung hege, dass es nicht bei dieser klaren Rollenverteilung bleiben wird in den Folgebänden.
Die Komplexität einer Dystopie ist nicht mit der eines High-Fantasy-Romans zu vergleichen, aber nichtsdestotrotz erzählt Mafi eine gute Geschichte, die vor allem durch die Selbstbestimmung der Figuren besticht und die Handlung vorgibt. Das es sich hier um Teil Eins einer Trilogie handelt ist absehbar, dass die Welt noch um einiges komplizierter werden wird und auch die Figuren vor Entscheidungen gestellt werden, die Probleme mit sich bringen werden. In diesem Band ist deshalb alles sehr Schwarz-und-Weiß gehalten, was zur Abwechslung aber auch ganz schön sein kann, weil man das Buch einfach lesen und genießen kann.
Eine weitere Besonderheit dieses Buches ist, dass es nicht dem typischen Roman-Aufbau folgt. Es gibt mehr als einen Höhepunkt und bereits nach der Hälfte des Buches hätte die Autorin abschließen können, denn so liest man es heute häufiger. Aber Mafi hat sich dagegen entschieden und erzählt eine Geschichte, die sich liest als wären es zwei. Wenn man in der Mitte einen Schnitt macht, erhält man zwei fast unterschiedliche Welten, und am Beginn und Ende des Buches zwei fast unterschiedliche Juliettes. Die Charakterentwicklung der Protagonistin ist (in meinen Augen) fast nahezu perfekt umgesetzt, beim lesen selber merkt man es nicht, aber sobald man die Juliette am Anfang mit der vom Ende vergleicht, sieht man sich zwei ganz unterschiedlichen Menschen gegenüber.
Wenn man das Buch zum ersten Mal aufschlägt, fällt einem sofort der Schreibstil auf. Nicht nur die Art des Schreibens ist besonders und neu, auch die optische Darstellung. Ganze Textpassagen sind einfach durchgestrichen, was mir in noch keinem weiten Buch begegnet ist. Nebenbei lässt Mafi auch die Gedanken und Handlungen Juliettes verschmelzen, sodass man beim lesen die ungefilterten Gefühle und Gedanken der Figur vorfindet. Diese Art des Schreibens reißt den Leser in ein Gefühlschaos, weil alles plötzlich genauso auf den Lesenden einstürzt, wie auf die Protagonistin. Eine emotionale Reise beginnt mit dem ersten Satz und alle durchgestrichenen Textpassagen zeigen Depressionen und Selbstzweifel wie sie jeder Teenager kennen wird. Je weiter der Roman voranschreitet, desto weniger werden die durchgestrichenen Sätze, denn Juliette entwickelt sich und mit ihr ihre Ängste, was wirklich großartig umgesetzt wurde. Übrigens sollte man sich von fehlenden Kommas und wiederholenden Wortgruppen nicht verunsichern lassen, dass sind keine Druckfehler sonder gewollte Stilmittel.
Auch wenn ich die Welt aus Ich fürchte mich nicht nicht gut heißen kann, und es mir ehrlich gesagt, Angst macht zu lesen, dass unsere Welt eines Tages genauso aussehen könnte, hat mir das Buch persönlich sehr gefallen. Die Darstellung der Menschen entspricht einfach der Realität und zeigt die miesesten Seiten unserer Gesellschaft, was nicht schön ist zu lesen, aber doch zeigt, wie grausam wir sein können. Das mag jetzt negativ klingen, aber ich finde es toll, dass Mafi den Mut hatte diese Seiten aufzuschreiben und direkt in den Roman einzubauen. Juliettes Entwicklung ist ein weiterer Punkt, der mich beeindruckt hat, denn heute liest man selten von so starken Frauen oder Protagonisten im allgemeinen. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen der Tribute von Panem mochte und Die Bestimmung, obwohl sie wenig mit einander gemeinsam haben.
Autor*in: Tahereh Mafi • Titel: Ich fürchte mich nicht • Verlag: Goldmann • Seiten: 316 • Format: Taschenbuch, Hörbuch, eBook • Preis: 9,99€ (TB); 20,95€ (HB); 8,99€ (ePub) • Neugierig?
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