Als ich das erste Mal von dieser Buchreihe bei Instagram gehört habe, fand ich nicht nur die Covergestaltung wahnsinnig ansprechend, sondern auch die Einbindung von Menschen mit Behinderung in eine Liebesgeschichte. Während meiner Schulzeit wurde von meinen Lehrern viel Wert darauf gelegt den Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu lernen, egal ob diese geistig oder körperlich beeinträchtigt waren. So zum Beispiel habe ich 8 Jahre lang mit zwei Autisten in meiner Klasse gelernt und mehrmals wurden Projekttage in einer nahegelegenen Werkstatt für Menschen mit Behinderung durchgeführt. Ich bin zwar kein Experte, aber ich finde die Repräsentation wichtig und habe mich wahnsinnig gefreut, als ich vom Verlag ein Rezensionsexemplar zugeschickt bekommen habe.

Darum gehts

Avery und ihre Tochter Hailey ziehen nach Redwood um einen Neuanfang zu starten. Nach einer toxischen Ehe sucht Avery gar nicht mehr nach dem Mann fürs Leben, sondern nur nach einem ruhigen Ort für sich und ihre autistische Tochter. Als sie allerdings kurzerhand in der Tierarztpraxis der O’Grady Brüder eingestellt wird, wird ihr Vorhaben langsam von Cade, dem jüngsten Bruder und Tierarzt untergraben.

Meine Meinung

Der für mich wichtigste Punkt in diesem Buch war die Darstellung der jungen Hailey, einem autistischen Mädchen, das nicht spricht und mit Berührungen nicht gut umgehen kann. Ich habe zwar bereits mit Autisten zu tun gehabt, allerdings hatten meine beiden Mitschüler kein Problem mit Reden; das mit den Berührungen kann ich nicht beurteilen. Ich habe aber doch einige der Wesenszüge von Hailey wiedererkannt, wie ihre etwas längere Reaktionszeit – nur ein bisschen – bevor sie mit jemandem interagiert, genauso ihr ständig umherschweifender Blick. Autismus äußert sich bei jedem etwas anders und oft haben Menschen mit Autismus eine einseitige Begabung. Einer der Autisten aus meiner Klasse konnte zum Beispiel alle Fußballbundesligaergebnisse der aktuellen Spielzeit auswendig, er hatte eine Begabung für Zahlen. Ganz ähnlich wie Hailey im Buch, sie ist einfach unschlagbar bei Tic Tac Toe. Autisten sind keinesfalls dumm, sie verarbeiten Reize nur anders. Wer sich dazu ein bisschen belesen will, kann auf der Webseite von Autismus Kultur vorbeischauen.

Da Autisten aber nicht allein in einer Gemeinschaft sind, wurde auch die Reaktion „normaler“ Menschen von der Autorin thematisiert. Häufig ist es einfach so, dass Andersartigkeit einschüchtert, man weiß nicht genau, wie man mit diesen Menschen umgehen soll und dann können viele Menschen abweisend reagieren und verletzend sein. Gerade Avery hat als Mutter immer die volle Wirkung dieser Reaktionen abbekommen und kämpft verbissen dagegen an, ihre Tochter als merkwürdig oder verkehrt abstempeln zu lassen. Ich fand es toll, wie Avery mit der Behinderung ihrer Tochter umgegangen ist und gleichzeitig versucht hat den Menschen in ihrer Umgebung etwas beizubringen. Im Buch hatte sie dann auch sehr viel Glück, denn nach einigen kleinen Startschwierigkeiten wurde Hailey wunderbar integriert, was auch nicht zuletzt daran lag, dass einer der O’Grady Brüder stumm ist und nur durch Gebärdensprache kommunizieren konnte.

Die Handlung ist nichts Sensationelles; Avery muss die Einwirkungen ihres Ex-Ehemannes überwinden, was sehr gut gelöst worden ist. Obwohl Avery jahrelang in einer toxischen Beziehung gelebt hat, sieht sie sich nicht direkt als Opfer, sie ist sich bewusst, dass sie vieles auch zugelassen hat. Das natürlich nicht alles ihre Schuld ist, bringt ihr dann Cade manchmal mehr und manchmal weniger sanft bei. Ich fand es außerdem super, dass Hailey als Tochter für die Beziehung zwischen Cade und Avery so wichtig war, ihr Wohl wurde immer an erste Stelle gestellt und Cade bemüht sich wirklich sehr um sie.

Der Schreibstil wahr sehr angenehm, ich mochte es, wie präsent die Figuren waren und was für ein Händchen die Autorin für witzig-romantische Sätze hatte. Erzählt wird sowohl aus Averys, als auch Cades Sicht, was auch nicht sehr häufig in Liebesromanen vorkommt, mir aber gut gefallen hat. Es herrschte ein absolutes Gleichgewicht, keine Figur war wichtiger als die andere, es ging hier darum die Beziehung und Entwicklung zweier Menschen miteinander darzustellen.

Als letzten Punkt muss ich noch die Bevölkerung Redwoods erwähnen, die wesentlich zur Atmosphäre des Romans beigetragen hat. Ich habe selten einen Roman gelesen, wo so viel Gemeinschaft vorhanden war, obwohl die ständige Neugier aller für die beiden Hauptpersonen manchmal unangenehm war, hatten die Bewohner einen großen Wert in der Geschichte. Unterstützt wurden sie dabei auch ab und zu von den Tieren aus der Tierarztpraxis.

Nachdem ich das Buch nun beendet habe, fühle ich eine Mischung aus Befriedigung, Sehnsucht und Fernweh. Die Redwood-Love-Trilogie spielt in Oregon, zufällig einem meiner liebsten Bundestaaten von Amerika, und Kelly Moran hat es geschafft mit ihrer Kleinstadt ein wunderbares, anheimelndes Setting zu kreieren. Wer Fan von Serien wie Gilmore Girls ist, wo auch das Zusammenleben einer Kleinstadtbevölkerung eine Rolle spielt, wird viel Spaß an diesem Buch haben, denn diese Liebesgeschichte beschränkt sich nicht nur auf Avery und Cade.

Mit ihrem Liebesroman erfindet Kelly Moran nicht das Genre neu, aber durch die authentischen Figuren, lebendige Landschaft und vor allem auch den tierischen Begleitern, hat sie ein Buch erschaffen, dass zum träumen einlädt. Für mich war Redwood Love: Es beginnt mit einem Blick ein kleiner Urlaub für die Seele und ich freue mich sehr auf den Folgeband.


übersetzt von: Vanessa Lamatsch • Verlag: Rowohlt Polaris • Seiten: 363 • Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook • Preis: 12,99€ (TB); 4,99€ (ePub) • Erscheinungstermin: 19. September 2018 (Print) • Neugierig? Amazon.de

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Zeilenwanderer

Vielen Dank an den Verlag und Endlich Kyss für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares.