Der Beitragstitel ist sehr generisch, ich weiß, aber vielleicht habt ihr ja Lust auf einen kleinen Einblick in meine Gedanken was diese Adaption angeht. Wer Bridgerton noch nicht geschaut hat, sollte hier besser aufhören zu lesen, weil ich diesen Beitrag nicht schreiben kann ohne einige Dinge zu Spoilern. Allerdings: Wenn ihr Bridgerton, Staffel 2, noch nicht geschaut habt – wie, zum Kuckuck, habt ihr das fertig gebracht? Ich bin vor Neugier fast gestorben und habe die Staffel in einem Tag angeschaut.
Ich hole mal etwas weiter aus, damit ihr wisst, wie ich auf die Idee kam diesen Beitrag zu schreiben. Als die erste Staffel von Bridgerton Weihnachten 2021 auf Netflix startete, dachte ich zuerst nicht, dass es mir gefallen würde, weil Drama, Drama, Drama. Aber! Die Setdesigns sind zum Sterben schön, die Diversität ist *chef’s kiss* und der Soundtrack zum Niederknien. Sobald ich es einmal angefangen hatte zu schauen, konnte ich nicht mehr aufhören. Bridgerton ist eine wundervolle Regency-Fantasy (Weil nicht unbedingt historisch korrekt in Kostüm & politischem Geschehen – zumindest laut einigen YT-Kanälen, die sich damit auskennen) und perfekt, wenn man ein bisschen Jane-Austen-Vibes haben möchte, aber nicht gleich einen Sammelband ihrer Werke verschlucken kann.
Jedenfalls hatte ich nach Ende von Staffel 1 ein bisschen Bridgerton-Entzug und habe mich den Büchern gewidmet auf denen die Serie basiert. Die Bridgerton-Reihe von Julia Quinn umfasst 8 Bücher plus 5 weitere Bücher, die ein bisschen die Zeit vor der illustren Familie Bridgerton beleuchten. (Dazu vielleicht einen gesonderten Beitrag? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.)
Die originale Bridgerton Reihe umfasst alle 8 Bridgertongeschwister und widmet sich ihnen in der Reihenfolge ihrer Heiraten, weswegen Daphnes Geschichte auch zuerst erzählt wird, obwohl sie als vierte geboren wurde. Danach folgt Anthony, Benedikt, Collin, Eloise, Francesca, Hyacinth und Gegrory. Staffel 1 der Netflix-Serie widmet sich deswegen auch vorrangig Daphne und Simon, obwohl im Hintergrund bereits die Handlungen um Anthony, Benedikt, Collin und Eloise gesponnen werden. Staffel 2 widmet sich Anthony und ist von mir die wohl meisterwartete Staffel, weil ich Anthonys Buch von allen am liebsten mag.
Anthonys Geschichte: Wie bezaubert man einen Viscount?
Zuerst einmal: Dieser deutsche Titel des Buches ist total irreführend, weil Kate in keiner Sekunde im Buch daran denkt, Anthony zu bezaubern. Im Englischen heißt es „The Viscount who loved me“ und das empfinde ich als wesentlich passender. Ich persönlich hätte „Der Viscount, der mich liebte“ jetzt nicht so schrecklich gefunden als Titel, aber die Übersetzungsrechte wurden schon vor langer Zeit ausgehandelt (nehme ich an) und da kann man heute vielleicht nicht mehr so viel dran machen.
Von allen Bridgerton-Büchern empfinde ich Anthonys als am wenigsten problematisch. Das Buch kommt mit der viel geliebtem Prämisse von Haters-to-Lovers daher, weil sich Kate und Anthony nämlich gar nicht ausstehen können und sehr oft aneinander geraten. Beziehungsweise: Kate hat eine sehr schlechte Meinung von Anthony – durch Lady Whistledown – und zeigt ihm das immer wieder offen und Anthony macht sich einen Spaß daraus Kate damit zu ärgern. Anthony will in der Ballsaison nach Daphnes endlich heiraten und sucht nach einer passenden Frau, die in allererster Linie eine gute Vicountess sein soll und niemand in den er sich verlieben könnte. Kates jüngere Schwester Edwina passt auf Anthonys Kriterien perfekt und Kate will als große Schwester ihre jüngere Schwester nicht in eine Ehe gehen sehen, die sie nicht glücklich machen könnte.
Hier liegt der erste große Unterschied zwischen Buch und Serie: Im Buch verliebt sich Edwina nicht in Anthony und ihre Beziehung schreitet nicht ansatzweise so weit voran, wie in der Serie. Im Buch hat Edwina schon sehr bald einen anderen Mann gefunden, den sie gut findet, noch während Anthony um sie wirbt, und dem sie sich vollends widmet sobald Anthony mit Kate verlobt ist. Das schwesterliche Drama, dass in der Serie entsteht, ist in keinem Rahmen so im Buch vorhanden. Ich hätte dieses Drama in der Serie nicht gebraucht, kann aber auch verstehen, warum das so geschrieben wurde, weil es zu Edwinas Darstellung passt sich in jemanden wie Anthony zu verlieben. Besonders als Anthony die volle Charme-Offensive rausholt.
Ein weiterer großer Unterschied ist der Spannungsbogen und die Handlung. Anthony und Kate heiraten im Buch schon kurz nach der Hälfte des Buches und man erlebt sie tatsächlich in ihrer Ehe, was in der Serie durch das Verlobungs-Kuddelmuddel nicht passiert. Ich vermute nur, dass dies in der Serie anders gemacht wurde, damit keine zu großen Parallelen zu Staffel 1 auftreten, empfinde das aber egal warum es nun passierte als guten Schachzug. Im Buch wird Kate in Anthonys Beisein von der Biene gestochen, Anthony reagiert panisch und versucht das Gift aus Kates Wunde zu saugen, die genau in ihrem Ausschnitt ist. Was natürlich aussieht, als würden sie gewisse Dinge in der Öffentlichkeit machen. (Ich weiß, seufz.) Dabei werden sie dann gesehen und um Kates Ehre zu retten bittet Anthony darum sie zu heiraten. Anthony hatte im Buch bis dahin noch keine Versprechungen gegenüber Edwina gemacht, weswegen das keinen sonderlichen Skandal nach sich zieht. Im Buch bekommt man also einige explizite Szenen mehr als in der Serie und erlebt wie Kate und Anthony in ihrer Ehe an ihrer Beziehung arbeiten. Ich hoffe sehr, dass wir in den kommenden Staffeln immer wieder mal einen Blick auf #Kanthonys Eheleben werfen können, weil ich das im Buch sehr schön fand und auch wichtig. Eine Ehe bedeutet Arbeit und das ist etwas, das noch nicht oft genug gezeigt wird, besonders bei Liebesheiraten. (Zu dieser Zeit und allgemein.)
Kleinere Details, die ich gerne in der Serie gesehen hätte: Mehr Newton und mehr Pall Mall! Newton – der Corgi – ist im Buch ein riesiger Unruhestifter, der mehr als einmal Kate in schwierige Situationen bringt und – im Gegensatz zur Serie – Anthony sehr mag. Die wichtigste Pall Mall Szene haben wir in der Serie zwar bekommen, aber ich hatte ein bisschen mehr erwartet, weil im Buch die Bridgertons jegliche Hemmungen und gutes Benehmen ablegen und spielen, als würde ihr Leben und ihre Ehre davon abhängen. Auch hier hoffe ich, dass wir in zukünftigen Staffeln noch etwas mehr davon sehen.
Weitere Details, denen ich weniger hinterher trauere: Die Arbeitszimmer-Szene. Im Buch ist die erste körperliche Annäherung, die Kate und Anthony haben, in Anthonys Arbeitszimmer, in das Kate sich flüchtet, weil sie ihm eigentlich aus dem Weg gehen will. Dumm gelaufen, ich weiß. Kate versteckt sich unter Anthonys Schreibtisch, wo er sie dann entdeckt, „wie ein Frosch hockend“ mit den Knien an den Ohren. Anthony ist nicht allein in sein Arbeitszimmer gekommen, sondern hat seine Affäre Maria Rosso (in der Serie Siena) dabei, die er dann aber hinauskomplimentiert, um Kate zur Rede zu stellen. Während er noch versucht Maria loszuwerden, versucht er gleichzeitig auch Kate vor ihr zu verstecken, weil Skandal (!), aber er nutzt das etwas aus und tritt Kate mit Absicht auf die Hand, woraufhin sie ihn wohl in sein Knie beißt oder krallt. Der ganze Austausch ist recht amüsant. Die folgende sexuelle Belästigung eher weniger. Kate ist von Anthony natürlich etwas angeturnt, aber dennoch küsst Anthony sie ohne ihre Zustimmung oder ihr Wissen, wie sexuell stimulierend so ein Kuss sein kann. Die Frauen in den Bridgerton-Büchern sind alle schrecklich unwissend was körperliche Verlangen angeht und niemand gibt sich Mühe sie aufzuklären. Zudem endet die Szene etwas hässlich, als Anthony seine Machtposition ihr gegenüber sehr deutlich macht, was Kate verständlicherweise sehr erzürnt. (Liebe es, wie mein eigener Wortschatz beim Schreiben dieses Beitrags etwas hochtrabender wird als normal.)
Verständlicherweise ist die Szene nicht in der Serie gelandet – ich kann nur vermuten, dass es nicht zur Handlung gepasst hätte oder sie nach dem Backlash, den die No-consent-Szene in Staffel 1 erhielt, sich dagegen entschieden haben. Stattdessen haben wir allerdings die wundervollen langen, sehnsüchtigen Blicke bekommen, die sich wohl jede*r nach Stolz & Vorurteil (2005) gewünscht hat. Ich mochte sehr, dass wir wirklich sehen konnten wie Kate und Anthony sich ineinander verlieben, ehe es zur Heirat kommt und auch einige Differenzen beseitigen konnten. Gerade für Anthony finde ich das sehr wichtig, weil er sich durch Liebe nicht verletzlich machen will und zu sehen, wie er langsam diese Gefühle zulässt und überhaupt auch in diesem Maße erfährt, war ziemlich cool. Nach seinem Verhalten in Staffel 1 haben wir ihn wohl alle ein wenig gehasst und seine Entwicklung so schön ausgearbeitet zu sehen, hat mir sehr gefallen.
Kates Entwicklung und allgemein der ganze Hintergrund als große Schwester und wie viel sie vor Edwina geheim hält, fand ich ebenfalls gut. Auch wenn ich nicht alles was Kate tat gutheiße, kann ich als große Schwester ihre Motivation dahinter sehr gut verstehen. Ich hatte so viel Spaß dabei wie sie mit Lady Danbury immer wieder keinesfalls schlecht sondern eher sehr passend.
Alles in allem bin ich mehr als zufrieden mit der zweiten Staffel und gebe ganz ehrlich zu, dass diese Serie um Längen besser ist als die Bücher. Allein die Repräsentation spricht schon für die Netflix-Serie, die ich allerdings nicht weiter kommentieren kann und will – außer, dass es mich freut – weil ich weiß bin.
Also, falls ihr aus irgendeinem Grund noch nicht Bridgerton geschaut habt – egal welche Staffel – lege ich es euch hiermit ans Herz. Solltet ihr Interesse an den Büchern haben seid euch bewusst, dass diese zum Teil rassistisch und fatphobic sind, und krass sexistisch an vielen Stellen. (Ich habe bestimmt auch nicht alle problematischen Aspekte bemerkt, also lest euch vielleicht noch etwas ein.) Man kann und darf diese Bücher dennoch genießen, solange man sich bewusst ist, wo die Probleme liegen und es nicht romantisiert.
Und damit beende ich diesen Beitrag, ich hoffe ihr fandet ihn spannend und ich würde mich freuen von euch in den Kommentaren zu hören.
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