Als ich dieses Buch auf meine Wunschliste gesetzt habe, bin ich fest davon ausgegangen, dass es ein Sommerbuch für mich wird. Da der Sommer in 2021 nun ganz anders geworden ist, als ich das aus den letzten Jahren kenne habe ich das Buch erst später zur Hand genommen, als geplant, aber es hätte keinen passenderen Zeitpunkt geben können. Da das buch über ein ganzes Jahr spielt, gab es besonders prominente Momente im Herbst/Winter, was ziemlich gut zu meiner Stimmung gepasst hat, als ich es las. Und die warmen Sommermomente für die Australien und Neuseeland bekannt sind haben ihr übrigens getan.
Zum Inhalt
Isolde und Taylor waren beste Freunde, obwohl sie in zwei unterschiedlichen Ländern leben. Aber ein Streit hat sie vor einem Jahr entzweit und seitdem herrscht Funkstille zwischen ihnen. Bis Isolde von ihrem Freund betrogen wird und Taylor plötzlich wieder Kontakt zu ihr aufnimmt …
Eine ungewöhnliche Erzählform
Long Distance Playlist ist eines der Bücher, die ihre Geschichte über verschieden Textformen erzählen. Einen Großteil des Buches machen tatsächlich die Messenger- und E-Mail-Verläufe der beiden Figuren aus. Und natürlich die Playlisten, die dem Buch seinen Namen geben. Taylor erstellt diese Playlisten zum Teil für sich selbst, aber auch für Isolde und diese sind immer mal wieder im Buch abgedruckt. Es lohnt sich also einen Streamingdienst während des Lesens griffbereit zu haben, falls man eine Playlist Nachhören will. Ich kann mir vorstellen, dass das nochmal ein ganz neues Level an Emotionalität in den Text bringt. (Ich selbst habe das nicht gemacht weil mir erst bei der Hälfte des Buches klar geworden ist, dass ich die Playlisten ja selbst erstellen und nachhören kann und dann schlicht zu faul war, das umzusetzen.)
Gerade zu Beginn des Buches gab es viele Kapitel die nur aus Chatverläufen oder E-Mail Korrepondenzen verlaufen, was einen Moment lang komisch für mich war. (Einfach, weil ich das in letzter Zeit nicht so viel gelesen habe.) Alternative Textformen setzen auch voraus, dass man etwas zwischen den Zeilen liest, weil die Figuren nicht alles, was sie bewegt in eine E-Mail schreiben. Ich musste wesentlich mehr Denkarbeit aufbringen, als ich es gewohnt war, was a) eine nette Abwechslung war und b) dafür sorgte, dass ich mich viel intensiver mit dem text beschäftigte als normal. Ich finde auch, dass diese Art des Erzählers etwas das Tempo gebremst hat, mit dem die Handlung vorangeschritten ist. Denn auch wenn in den E-Mails viel mehr passiert/angesprochen wurde, als in einem Prosa-Text, dauerte es wesentlich länger, bis die Figuren auch gehandelt haben. Das hat sich aber nach einigen Kapiteln eingependelt und es setzte eine gute Mischung aus bekanntem Prosa-Text und Chatverläufen ein.
Die beiden Figuren Isolde und Taylor verüben beide Extremsportarten. Isolde ist Balletttänzerin und trainiert darauf an einem Vortanzen für die nationale Tanzschule in Australien antreten zu dürfen. Taylor ist bis vor einigen Monaten Snowboarder gewesen, bis ein Unfall ihn das Bein gekostet hat. Seitdem mag Taylor nicht mehr Snowboard fahren, womit ein wesentlicher Teil eines bisherigen Lebens wegfällt. Daraus resultiert nicht nur ein Trauma, sondern auch eine Depression, die im Text repräsentiert wird.
Taylors Behinderung kann ich als able-bodied Person in seiner Repräsentation natürlich nicht beurteilen, fand es aber sehr schön zu lesen. Taylor hat mehr als nur ein Trauma zu bewältigen, neben seinem Unfall hatte sein Vater auch Krebs und Taylor eine Depression. Ich fand es sehr stark, wenn im Text über die Therapiesitzungen gesprochen wurde, die Fortschritte und Schwierigkeiten die Taylor so hatte. Gerade in einem Jugendbuch habe ich diese Fülle an Themen bisher noch nicht gelesen und finde es ziemlich gut in die Gesamthandlung eingebaut.
Allein der Gedanke, dass ich den Rest meines Lebens Fragen beantworten werde, erschöpft mich. Dass ich immer aus der Menge herausstechen werde, weil die Definition von „normal“ eine sehr kleine Schublade ist, in die ich offensichtlich nicht mehr passe.
Taylor, Long Distance Playlist
Isolde hat mit starken Selbstzweifeln zu kämpfen, da sie sich ihrer Fähigkeiten nach einem verpatzten Vortanzen nicht mehr sicher ist. Allerdings übernehmen diese Sportarten nicht die komplette Handlung. Meistens liest man tatsächlich nur in Trainingspausen von Isolde und Ballett und bei Taylor nur in Erinnerungen vom Snowboarden.
Isolde muss sich neben ihren Selbstzweifeln hinsichtlich ihrer Karriere als Balletttänzerin auch der Beziehung ihrer Eltern stellen, die im Buch immer mehr zu bröckeln beginnt. Ich fand den Konflikt da sehr gut dargestellt. Isolde muss lernen sich in der Beziehung ihrer Eltern neu einzuordnen und auch akzeptieren, dass eine für sie heile Familie eine unglückliche Ehe für ihre Eltern bedeuten kann.
Abgesehen vom Spannungsbogen, der zu Beginn sich etwas wobbelig angefühlt hat, ehe er sich einpendelte, fand ich dieses Buch wirklich angenehm. Ich habe schon länger keinen Jugendroman mehr gelesen und hatte eine sehr schöne Erfahrung mit Long Distance Playlist. Wie sich Isolde und Taylor wieder näher kommen, ihre Freundschaft neu entdecken und am Ende sogar mehr daraus werden kann war sehr schön und harmonisch zu lesen. Ihre Gefühle basieren auf so vielem, was man als Leser:in mitbekommt, dass es mir nicht schwerfiel das nachzuvollziehen.
Fazit
Long Distance Playlist ist ein Jugendbuch, dass ich gerne an meine jüngeren Geschwister weiterreichen werde, weil es authentisch, abwechslungsreich und unerschrocken ist. Harte Themen werden angesprochen, aber gut dargestellt und die Freundschaft zwischen den beiden Hauptfiguren war wundervoll.
übersetzt von: Cherokee Moon Agnew • Verlag: ONE • Seiten: 479 • Format: Paperback mit Klappenborschur, eBook • Preis: 12,90€ (PB); 9,99€ / 1,99€* (ePub) • Erscheinungstermin: 30. April 2021 • Link zur Verlagsseite
*befristetes Preisangebot des Verlags
*Vielen Dank an den Verlag und die Bloggerjury für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Tina meint
Hallöchen Friederike,
high five, ich bin auch playlistenfaul, was Bücher angeht. Nicht nur das selbst erstellen, auch die Playlisten öffnen und nebenbei hören. irgendwie kann ich keine Musik beim Lesen laufen lassen.
Ich mag Chat-/Briefverläufe in Büchern ganz gern. Das ist mal was Anderes und kann Emotionen ganz anders ansprechen.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Story noch mehr beinhaltet als 2 Freunde, die über Distanz wieder zueinander finden. Da ist schon harter Tobak dabei.
Danke dir für die Vorstellung.
Liebe Grüße
Tina
Friederike meint
Hallo Tina!
Es erleichtert mich ungemein, dass ich mit den Playlisten nicht alleine bin. Musik kann ich mittlerweile auch nicht mehr während des Lesen hören – ich frage mich, wie ich das als Teenager hinbekommen habe. ^^‘
Das Buch hat es thematisch echt in sich, aber ich finde die Balance wirklich gut, es ist nicht zu schwer, ohne flach zu wirken und lässt sich sehr schön lesen. Falls du es liest, wünsche ich dir viel Spaß.
Alles Liebe
Friederike