Wenn ich an Madly denke, denke ich in allererster Linie daran, wie mad (engl.) ich beim Lesen teilweise wirklich war, wie oft ich frustriert von der Protagonistin war und wie falsch sich Teile dieser Beziehung angefühlt haben. Einige meiner Reaktionen habe ich während des Lesens schon auf Instagram und Goodreads geteilt, dann ab der Hälfte aber davon abgesehen, weil es einfach nicht besser wurde. Warum genau ich mich so gefühlt habe, erfahrt ihr deswegen jetzt in der Rezension.
Zum Inhalt
June will niemanden an sich heran lassen, sie hat in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht, ihr wahres Ich zu zeigen und fürchtet nun weitere Zurückweisungen. In Seattle startete sie einen Neuanfang gemeinsam mit ihrer Freundin Andy, die als Einzige um ihre Unsicherheit weiß. Aus Selbstschutz wehrt sie die Annäherungsversuche ihres Freundes Mason immer wieder ab, auch wenn es da dieses gewisse Prickeln zwischen ihnen gibt, dass sich immer schwerer ignorieren lässt …
Nein heißt Nein, verflixt nochmal!
Da Madly Band Zwei der In-Love Reihe ist, kennt man optimalerweise June und Mason bereits als Nebenfigurn aus Band Eins, Truly. Wer Truly gelesen hat, weiß auch bereits um das Thema des zweiten Buches: Masons Annäherungsversuche bei June. Diese beginnen nämlich schon in Truly, als die beiden sich kennenlernen – unter eher suboptimalen Umständen – und Mason von Junes Frechheit beeindruckt ist.
Die Liebesgeschichte sollte eigentlich genau mein Ding sein, denn ich liebe Hate-to-Love-Beziehungen und das sollte, denke ich, auch der Vibe sein, den die Autorin einfangen wollte. June und Mason frotzeln sehr viel miteinander, necken sich und gehen sich gegenseitig auf den Keks. Ich mag sowas eigentlich sehr gerne, aber hier hat alles einen bitteren Beigeschmack bekommen, weil das Frotzelnde manchmal sehr ernst klang und das wiederum von der anderen Person völlig ignoriert wurde. Ganz besonders dann, wenn Mason Junes Abfuhren nicht hinnimmt und immer von oben herab kommentiert, dass er sie schon eines Tages rum bekommen wird. Ich fand viele der Gespräche sehr abgedroschen und unoriginell, wie z.B. der Spitzname „Kätzchen“ für June. Sowas habe ich schon in x-vielen Ausführungen gelesen und empfinde es mittlerweile als sehr ausgelutscht.
Madly in a Nutshell:
Hier eine kleine Zusammenfassung dessen, wie Madly so unterm Strich geschrieben ist.
„Nein, Mase.“ Es ist ein Nein, aber es ist nicht so nachdrücklich wie sonst.
S. 268
Allein, dass da eine Wertung der Nachdrücklichkeit des Neins ist, macht mich unglaublich sauer, weil es bedeutet, dass Mason Junes Ablehnungen schon sehr lange auseinander analysiert und überinterpretiert. Anstatt halt das Nein zu akzeptieren.
„Bereit?“
„Würde es was ändern, wenn ich Nein sage?“ Das bringt ihn zum Lachen.
S. 346
Wenn das ein Inside-Joke sein soll, finde ich ihn nicht witzig. Man lacht nicht über die Grenzen anderer Menschen und ignoriert diese. Aber sonst gäbe es hier ja keine Liebesgeschichte.
Meine Bewertung von Madly ist in den meisten Teilen sehr von meinen persönlichen Vorlieben geprägt, aber eine Sache stört mich massiv, die nicht zur Diskussion stehen sollte. Es geht darum, dass Mason Junes „Nein“ nicht akzeptiert. (Wie oben schon demonstriert.) Als das Buch beginnt erfährt man bereits, dass er June seit Monaten um ein Date fragt, ihr ungefragt Geschenke macht – die er auch noch direkt vor ihre Wohnheimtür liefern lässt – und ihre Abfuhren einfach nicht hinnimmt. Er ist fest überzeugt, dass sie insgeheim doch etwas von ihm will und hört nicht auf. DAS ist problematisch. Es zeugt für mich nicht nur von Respektlosigkeit, wenn man ein „Nein“ nicht akzeptiert, ich hatte auch gehofft, dass so ein Thema nicht mehr in Liebesromanen vorkommen muss – denn zu oft endet ein nicht akzeptiertes „Nein“ in sexueller Belästigung. Nun ist die Situation bei June und Mason in der Art besonders, dass June Mason tatsächlich anziehend findet, aber aufgrund ihrer Vergangenheit ihn nicht an sich heranlassen will. Obwohl sie also seine Gefühle irgendwo erwidert, weist sie ihn weiterhin fast Dreiviertel des Buches ab und gerade dann, als ihr guter Freund, sollte Mason endlich akzeptieren, dass June ihre Gründe hat und sie in Ruhe lassen. Dieses Hin und Her zwischen ihnen erreicht irgendwann so kritische Ebenen, dass sich ihre Freunde zwischen den Stühlen sitzend fühlen, weil es die Freundesgruppe nachhaltig belastet, wie sie miteinander umgehen.
Zu einem Problem gehören immer zwei
Dadurch, dass man Masons Perspektive im Buch ebenfalls bekommt, lernt man natürlich, dass er im Prinzip nichts Böses will, aber seine Fixierung auf June ist sehr stark und macht gefühlt über die Hälfte seines Charakters aus. Er kämpft mit der angespannten Beziehung zu seinem Vater und fühlt sich perspektivlos, aber wirklich stark darauf eingegangen wird nicht. Man lernt im Vergleich zu June nur sehr wenig über Mason, er wirkte als Charakter viel weniger ausgereift und in Kombination mit seiner Obsession von June ist das einfach keine angenehme Leseerfahrung.
Was mache ich jetzt aus meinem Leben? Was habe ich jetzt? Einen Club. Ein großes Apartment und mehr Anzüge, als ein normaler Mensch tragen kann. Mehr nicht. Mehr gibt es nicht. Ich habe keine weiteren Ziele, weiß nichts anderes mit mir und meinem Leben anzufangen.
47%
In machen Momenten schießt er dann den Vogel ab, wenn er sich damit brüstet, dass er June immer die Wahl ließe – was er durch die ignorierten Abfuhren ja genau nicht tut – und einmal tatsächlich ein „Nein heißt Nein“ jemanden an den Kopf knallt, der June angebaggert hat. An diesem Punkt fühlte ich mich wirklich verarscht, weil Masons Verhalten so sehr dem zuwider lief, was suggeriert wurde. Er predigte so oft seinen Respekt gegenüber June, aber hat er jemals danach gehandelt? Nein. Für die Leser:innen wurde das eine gezeigt und das andere gesagt, etwas das ich sehr frustrierend finde.
Es ist okay, dass ich nicht mit Mason ausgehen möchte. Ich darf mit ihm flirten und ihn mögen – auch wenn ich das nicht will. Ich kann all das tun, auch wenn ich ihm nicht das geben kann, was er möchte oder was er sich wünscht. Es ist okay, dass ich mich schütze.
S. 153
Um fair zu bleiben, muss ich auch sagen, dass June an der ganzen Situation nicht unschuldig ist. Zwar sollte Mason ihre Entscheidungen akzeptieren, sie könnte aber auch dazu stehen und nicht immer wieder mit ihm flirten – ihr Verhalten hat die Aura von „sich jemanden warm halten“ bekommen, sie hält Mason immer wieder genug Köder hin, dass er nicht über sie hinweg kommt und lässt ihn dann abblitzen. Obwohl ich June als Person absolut furchtbar finde, konnte ich ihre Situation relativ gut nachvollziehen. June ist mit einem Feuermal im Gesicht und Halsbereich geboren worden und ihr wurde von früh eingetrichtert, dass das etwas ist, das man verstecken muss. Ihre Unsicherheiten bezüglich ihrer Person stammen größtenteils daher und ich fand sehr schön, dass die Thematik gleich zu Beginn angesprochen wird.
Es ist mir egal, ob es für die Welt keine große Sache ist. Für mich ist sie groß. Die größte Sache in meinem verschissenen Leben und ich kann nicht so tun, als sei sie mir egal oder nicht da. Als würde sie mich nicht nerven, mir nicht wehtun, mich nicht kleinhalten oder verändern. Ich kann nicht so tun, als würde ich diesen Teil von mir lieben, wenn ich mir immerzu wünsche, wie alle anderen zu sein.
S. 159
Junes Feuermal ist nicht der Knackpunkt der Geschichte, sondern ihre Selbstliebe, leider konnte ich ihre Entwicklung nicht wirklich nachvollziehen. Die Repräsentation für das Feuermal ist zwar immer da – indem June ständig ihr Make-up überprüft -, aber ihre Unsicherheit kommt selten zur Sprache. Das liegt zum Teil daran, dass June sich selbst nicht gut reflektiert und unangenehme Gedanken immer gleich beiseite schiebt. Sie setzt sich kaum mit ihren Problemen auseinander, reagiert eher patzig und aggressiv und ist dann sauer, wenn was nicht so passiert, wie sie es gerne hätte. In manchen Momenten war mir wirklich schleierhaft wie jemand sie nett oder liebeswürdig finden kann, wenn sie Telefonkabel rausreißt, weil ihr jemand sie ignoriert, sie Donuts in der Bibliothek und am Arbeitsplatz isst, wo das verboten ist (und Leute sie darauf hinweisen!) und die Dinger sogar auf Gäste wirft. Ihre Arbeitseinstellung ist ein Witz und eine Beleidigung für jeden, der mal händeringend einen Job gesucht hat. Man merkte an ihrem Verhalten, dass June sich ihres Privilegs nicht bewusst war und davon ausging, dass ihr Chef und Kumpel Mason sie schon nicht feuern würde, weil sie ja in der Klemme steckt. Vieles, was wohl als witzig angedacht war, wirkte auf mich leider wie die Akkumulation von White Privilege, wo June sich jeden Scheiß erlauben konnte, ohne jemals Konsequenzen davon zu fühlen.
Handlung ≠ Spannungsbogen
Eine Handlung existiert, abgesehen von der Liebesgeschichte, eher wenig. Dreiviertel des Buches lasen sich wie die Einführung, es gibt sich ständig wiederholende Szenarien, June und Mason nähern sich an, June lässt ihn abblitzen, er versucht es weiter. Einmal wird dieses Muster von June aufgebrochen, aber sonst spielt sich immer wieder das gleiche ab, bis nach circa 70% etwas passiert, dass auch schon viel eher hätte kommen können. Das so spät erst Tacheles geredet wird, führt auch dazu, dass der Rest der Handlung sehr schnell passieren musste, weswegen mir Vieles übereilt vorkam. Man hat einen sehr schlecht gesetzten Spannungsbogen, der das wichtige Thema Selbstliebe so gut wie ausklammert und dann ein übereiltes Ende. June und Masons persönliche Probleme werden zwar angerissen, aber die richtige Aufarbeitung passiert zwischen zwei Kapiteln, sodass man es als Leser:in nicht nachvollziehen kann. Ich fand das sehr einfach gelöst, gerade weil Junes Selbstliebe im Vorwort von der Autorin sehr hervorgehoben wurde und dann praktisch nie passiert ist. Man begleitet ihre Entwicklung nicht wirklich, teilweise redet Andie ihr Selbstvertrauen ein und June denkt selbst nicht genug darüber nach, um es glaubhaft zu machen. Masons Werdegang wird nur im Kleinen beschrieben und die Auseinandersetzung bekommt man nicht zu sehen. Im Prinzip denken June und Mason daran, dass sie ein Problem haben und im nächsten Moment ist es gelöst – wie das vonstatten gegangen ist und welche Hürden sie überwinden mussten, wird nicht gezeigt. Dieses Umsetzung des groß angekündigten Themas Selbstliebe und Bodypositivity fand ich sehr unzufriedenstellend.
Fazit
Obwohl meine Bewertung von Madly sehr stark subjektiv beeinflusst ist, bin ich der Meinung das es einige fundamentale Probleme hat, die New Adult Romane nicht nötig haben. Das Buch wirkt in seinem Gesamtpaket eher unausgereift, stellt viele Themen eher flach dar und übertritt an manchen Stellen Grenzen. Das Buch provoziert ohne je zu reflektieren, was ich in Anbetracht der Themen sehr Schade finde.
Verlag: LYX • Seiten: 414 • Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook, Hörbuch • Preis: 12,90€ (TB); 9,99€ (ePub); 13,99€ (Audio) • Erscheinungstermin: 30. September 2020 • Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag und die Bloggerjury für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.
Kat @ Bookish Blades meint
Tolle Rezension! 🙂 Ich war zwar selbst nie wirklich an den Bücher interessiert, sehe sie aber ziemlich oft durch Bookstagram geistern. Ich finde es sehr schade, dass solche Themen angesprochen, aber dann entweder gar nicht ausgeführt werden oder, wie in diesem Fall, mit einem bitteren Nachgeschmack. Gerade solche Dinge wie „Nein heißt Nein“ sollte man vorsichtiger und nachdenklicher angehen, denke ich. Sie sollten nicht nur erwähnt werden, es sollte auch innerhalb der Geschichte irgendwann reflektiert damit umgegangen werden. Schön, dass du das so konkret angesprochen hast!
Friederike meint
Liebe Kat,
Danke dir. <3 So populäre Bücher zu kritisieren lässt mich immer mit gespaltenen Gefühlen zurück, gerade wenn ich im Vorfeld so viele begeisterte Rezensionen lese, die genau das lieben, was mich gestört hat.
Mittlerweile finde ich es auch eigentlich ein Unding, solche Themen nicht anzusprechen in Rezensionen. Zumindest bei mir und den Blogger:innen, denen ich so folge. Mir ist dieser moralische Aspekt sehr wichtig.
Danke für deinen Kommentar, ich habe mich sehr darüber gefreut.
Alles Liebe
Friederike