Als ich zuerst von diesem Buch hörte, war ich skeptisch. Leigh Bardugo hatte mich mit ihren vorherigen Werken nämlich nicht vom Hocker gerissen und dann stand ich auch dem Subgenre – Dark Academia – sehr vorsichtig gegenüber. Denn wenn ich eins nicht brauchen kann, dann Bücher, die mir mein Studium gruselig werden lassen. Aber dennoch war ich gespannt, besonders weil sich Blogger so über das Buch im Uneinen waren. Ich habe es zusammen mit einer Studienfreundin gelesen und das war ein spannender Ritt.
Zum Inhalt
Alex Stern passt eigentlich nicht so wirklich nach Yale: Sie hat keinen Schulabschluss, kämpft sich eher schlecht als recht durch ihre Kurse und lässt die Arbeiten für ihr Hauptfach von jemand anderem anfertigen. Dennoch betrachtet man sie als essentiell für Yale, denn Alex kann Graue sehen, die Geister der Verstorbenen. Die acht Häuser des Schleiers, uralte Verbindungen, die seit jeher in Macht, Magie und Mysterium zugange sind, müssen überwacht werden, vom neunten Haus, Lethe. Alex wird für Lethe rekrutiert, denn Graue zu sehen, die bekanntlich größte Gefahr für magische Experimente, bedeutet für alle anderen Mitglieder große Schmerzen und Risiken. Zusammen mit ihrem Ausbilder Darlington lernt Alex das harte Pflaster der acht Häuser kennen, bis dieser verschwindet und sie sich ihrer Aufgabe allein gegenübersieht.
Dieses Buch enthält Inhalte, die triggernd sein können.
Komplexe Strukturen
Als ich in das Buch gestartet bin, wusste ich bereits um einige Dinge, wie dem verwirrenden Schreibstil und Handlungsstrang. Ich habe von vielen begeisterten Leigh Bardugo-Leser*innen eher Negatives über das Buch gehört. Umso überraschter war ich, als ich den Einstieg in das Buch ziemlich gut und leicht fand. Leigh Bardugo hat etwas gemacht, was ich selber als sehr gelungenes Spannungselement empfinde, sie hat mit einer Szene angefangen, die nach der eigentlichen Handlung des Buches spielt; zur Orientierung wurden die Jahreszeiten als Kapitelüberschriften gewählt. So startet das erste Kapitel im Frühling, wo die Handlung doch aber, der Vorlesungszeit gemäß, schon im Herbst beginnt. Ich mag diesen Schachzug, weil es mich neugierig auf das Buch gemacht hat und die Aura des Unvermeidbaren gezeigt.
Es wird abwechselnd aus Alex‘ und Darlingtons Perspektive geschrieben, wobei Darlington den Anfang des Semesters bis zu seinem Verschwinden abdeckt und Alex ab seinem Verschwinden erzählt, man springt also immer zwischen den zwei Zeitsträngen hin und her. Das führt zu einem gut gelungenen Spannungsaufbau, da man immer gerade genug Informationen bekommt, um Erkenntnisse der Handlungsstränge miteinander verknüpfen zu können. Auf den ersten 100 Seiten war diese Strukturierung noch etwas anstrengend, weil man sich erstmal in Alex‘ und Darlingtons Köpfen zurechtfinden musste und zudem noch eine Menge Nebeninfos bekommen hat. Ab Seite 100 wurde es aber wesentlich spannender und ich begann richtig mitzufiebern.
Vielschichtige & moralisch graue Charaktere
Alex Aufgabe im Buch ist es einen Mord auf dem Campusgelände aufzuklären, beziehungsweise sicherzustellen, dass keines der acht Häuser darin verwickelt ist. Allerdings gestaltet sich das nicht sonderlich einfach, weil niemand offen mit Alex reden zu wollen scheint und ihre Kontaktperson bei der Polizei sich ebenfalls als störrisch erweist. Das Haus Lethe selbst wird nicht immer mit offenen Armen empfangen, weil sie die Moralapostel spielen müssen, sodass es manchmal zu Differenzen kommt. Es ist auf vielen Ebenen ein Machtgeflecht in Yale am Werk, durch das sich Alex hindurchwühlen muss, um die Schuldigen zu finden. Simultan dazu lernt man auch immer mehr über Alex Vergangenheit, die meiner Meinung nach nichts für schwache Nerven ist.
Alex Charakter und Geschichte fand ich richtig spannend und gut gemacht, ihre Komplexität hat mich beeindruckt und sie ist eine moralisch graue Figur, die mir ans Herz gewachsen ist und die ich den ganzen Weg lang angefeuert habe. Alex ist keine Heldin, tut Dinge oftmals nur für sich selbst und entwickelt erst im Laufe des Buches so etwas wie Verantwortungsgefühl, etwas, dass sie sich lange Zeit verboten hat. Sie steht sich mit ihrer harten Schale manchmal selbst im Weg, erkennt das aber an einem Punkt und lernt daraus. So ist ihre einzige Kontaktperson lange Zeit nur Darlington, Alex Unialltag ist manchmal einsam und oftmals mogelt sie sich nur durch ihre Kurse hindurch. Im Laufe des Buches gewinnt Alex jedoch das Vertrauen eines weiteren Mitglieds von Lethe – Pamela Dawes. Eine zarte Freundschaft entsteht, die einige Grenzen testet, die eine Freundschaft sonst nicht aushalten muss (Mord z.B.), aber ich fand es großartig wie die beiden unterschiedliche Frauen sich zusammengerafft und behauptet haben.
Alex schleppt auch einigen Ballast und Traumata mit sich herum, die im Buch auch ausführlich Erwähnung finden. Dabei wird explizit auf Drogenmissbrauch, Vergewaltigung, Mord und Gewalt eingegangen. Das Buch enthält keine Triggerwarnung, was ich mittlerweile einfach nur noch fahrlässig finde, weil Alex auch keine gesunde Art hat mit ihrer Vergangenheit umzugehen, es also auch nicht entsprechend reflektiert, was ihr widerfahren ist. Fühlt euch also gewarnt, dieses Buch kann einem an die Nieren gehen, obwohl ich nicht beeinflusst war – ich bin allerdings auch Unbetroffen.
Darlington selbst war durch seine Kapitel zwar präsent, aber man hat ihn nicht so tief kennengelernt wie Alex. Ich denke, man wird noch einiges über ihn im nächsten Buch lernen, besonders weil das Ende auch einige Dinge über ihn enthüllt, die er sich nicht eingestanden hat. Darlington ist der ‚Golden Boy‘ von Lethe – talentiert, ehrgeizig und bedacht. Gleichzeitig musste er sich gegen seine Familie durchsetzen und ist auch etwas ein Eigenbrötler. Er steht in völligem Kontrast zu Alex und zu Beginn haben die beiden keinen guten Start. Aber Darlington – wie auch Alex – lernen bald ihre Vorurteile abzulegen und die Person hinter der Maske zu schätzen.
Bardugos Kunst
Den Schreibstil habe ich sehr genossen, ich bin großer Fan davon wie Leigh Bardugo Atmosphären einfängt und kreiert, Yale erschien mir mal erfurchtsgebietend, warm und dann wieder gruselig und grausam. Das Zusammenspiel aus wichtigen Infos, Randdetails und den Gefühlswelten von Alex und Darlington war fantastisch, ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß an einem Schreibstil.
Die Welt der acht Häuser des Schleiers speist sich aus ganz vielen verschiedenen Mythen und Magien, jedes Haus hat seine besonderen Kriterien und Spezifizierungen, manche Häuser sind wichtiger und aktiver, manche weniger wichtig. Allesamt können sie über eine bestimmte Macht gebieten, wovon das Haus Lethe auch teilweise profitiert. Man lernt einige Häuser in diesem Buch näher kennen und ich fand es gleichsam faszinierend und grauenvoll, zu was die Mitglieder im Stande sind. Ich muss außerdem zugeben, dass ich es enorm witzig fand, wie so viele gebildete Menschen sich auf Ausweidungen und Opfergaben verlassen haben, um zum Beispiel die Börse zu manipulieren. Da wurden teilweise Extreme zusammengeworfen, die ich nie miteinander in Verbindung bringen würde.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich das Ende am Absurdesten fand, da hat es sich in eine Richtung entwickelt, die ich weniger gut fand. Ich weiß nicht, ob es sich da um eine populäre Richtung bei Dark Akademia handelt, aber es ist mir dann zu sehr ins Unglaubwürdige abgerutscht. Es las sich etwas, als wollte die Autorin noch eins Draufsetzen und eins Draufsetzen und das letzte bisschen war für mich dann zu viel des Guten.
Fazit
Leigh Bardugo hat mit diesem Buch eine wunderbar spannende, vielseitige Welt geschaffen, die noch viel zu bieten hat. Die Charaktere sind komplex und faszinierend, müssen sich behaupten und entwickeln und nebenbei eine Welt navigieren, die keinen Regeln zu folgen scheint.
Das neunte Haus
übersetzt von: Michelle Gyo • Verlag: Knaur • Seiten: 528 • Format: Taschenbuch mit Klappenborschur, eBook • Preis: 18,00€ (TB); 9,99€ (ePub) • Erscheinungstermin: 03. Februar 2020 • Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Kat @ Kat from Minas Morgul meint
Huhu 🙂
Ich habe Ewigkeiten gewartet, das Buch zu lesen, einfach, weil ich irgendwie in der Stimmung dafür sein musste. Und ich bin ganz froh, dass ch auf die richtige Stimmung gewartet habe, denn ansonsten wäre es mir glaube ich sehr schwer gefallen, das Buch so zu lesen, wie es das verdient. Ich fand das Buch ebenfalls klasse, wenn auch am Anfang etwas schleppend. Aber wie du gesagt hast, war die Anfangsszene sehr gut gewählt und hat sofort neugierig gemacht. Die Komplexität der Figuren und ihre Einarbeitung in die Welt von Yale hat mir auch super gefallen und ich fand die Kontraste, die die einzelnen Charaktere gegeben haben auch sehr spannend. Ich muss aber zugeben, dass ich trotzdem mehr erwartet hätte. Ich kann nciht mal genau sagen was, aber irgendwie konnte ich mich nihct zu 100% mit dem Buch anfreunden. Aber es ist definitiv ein sehr cooler Reihenauftakt, der Lust auf mehr macht!
Sehr schöne Rezension 🙂
Liebste Grüße
Kat
Friederike meint
Huhu,
Jaa, ich habe auch gemerkt, wie wichtig es für mich war, den richtigen Moment abzuwarten, sonst ging es einfach gar nicht. ^^‘
Ich kann auch nicht genau sagen, was ich per se erwartet habe, da geht es mir wohl genau wie dir. Ich schiebe das bei mir aber einfach darauf, dass ich das Subgenre nicht gut genug kenne und eher ins kalte Wasser gesprungen bin.
Ich bin gespannt ob und wann der nächste Band kommt, ich will auf jeden Fall sehen, wie Alex die (Unter-)Welt weiter aufmischt. 😀
Liebe Grüße zurück an dich und Danke für deinen schönen Kommentar, er hat mich zum lächeln gebracht.
Alles Liebe
Friederike.