Anfang März ist eine weitere deutsche Fantasyautorin in mein virtuelles Bücherregal eingezogen: Jessica Wismar mit ihrem Buch Eloise. Ich habe das Buch auf Instagram bei @woertermaedchen gesehen und bei einem Gewinnspiel eine digitale Ausgabe gewonnen und musste diese natürlich gleich lesen. Ich kann euch schon so viel sagen: Das ist eines sehr ungewöhnliche Dystopie.
Zum Inhalt
Eloise ist als die große Ketzerin in der Stadt bekannt, eine Rebellin, die die Armen und Wehrlosen unterstützt und dem Orden immer wieder entwischen konnte. Aber alles Glück hat mal sein Ende und ein Ordensmitglied entdeckt die Identität der großen Ketzerin. Eloise ist bereits sich zu ergeben, um ihre Vertrauten und Mitstreiter zu schützen, aber es kommt ganz anders, als sie erwartet hat.
Eine Geschichte, voller Wendungen und Überraschungen
Wenn ich an dieses Buch denke, denke ich an so viele wunderbare, schlaue Dinge, wichtige Statements und gute Argumente, dass ich mich frage, wie das alles in dieses kleine eBook gepasst hat. Eloise – Hinter den Mauern des Feindes hat mich vom Hocker gerissen und das zurecht.
Der Beginn des Buches erinnert sehr stark an eine Neuerzählung von Robin Hood, jemand Unbekanntes beschützt die kleinen Leute vor den großen, bekommt einen Rebellenstempel und wird von den Machthabern gejagt. Eloise ist als die große Ketzerin bekannt, eine Rebellin, die sich gegen die harten Maßnahmen des Ordens stellt, der den Glauben in der Welt verbreitet.
Er würde sie schnappen, das wurde ihr klar. Sie hatte nicht mehr lang, um zu bewegen, was sie noch bewegen musste.
S. 22
Eloise hat sichere Orte in der Stadt geschaffen, Menschen vor Folter und Tod gerettet und ein treues Netz aus Straßenkindern, die sie die Mäuse nennt, helfen ihr dabei. Einzig ein Mitglied des Ordens, der Omni eines der vier Häuser, bleibt Eloise auf der Spur, weil er sich als Bettler verkleidet durch die Stadt bewegt und somit in die Muster passt, denen die Menschen aus Eloises Netz entsprechen. Wiederholt beweist „der Mann mit Herz“, wie er von Eloise und ihren Mäusen genannt wird, dass er einer der Guten ist. „Der Mann mit Herz“ ist jemand dem Eloise sich ergeben kann, als sie sicher ist, dass er um ihre Identität weiß. Denn wenn Eloise eines nicht kann, dann das Leben ihrer Mitstreiter und Mäuse riskieren, weswegen sie sich lieber selbst ergibt, als jemand anderen mit reinzuziehen.
Sie durfte niemanden nah an sich heranlassen, den sie im Falle eines Falles mit in den Abgrund ziehen würde.
S. 11
Der Titel ist an einigen Stellen wörtlich zu nehmen, was ich toll fand, weil es dann nicht nur eine groß klingende Floskel war, sondern ernst zunehmen. Alles in diesem Buch war so gut durchdacht und geplant, dass ich beim Lesen immer wieder gestaunt habe. Eloise hat ihre Gedanken auch ausgesprochen und dadurch ist mir erst die Genialität und Weitsicht ihrer Figur klar geworden.
Was mich an diesem Buch so begeistert hat, war, dass es kein bisschen vorhersehbar war. Die Handlung hat sich so oft in eine Richtung entwickelt, die ich nicht habe kommen sehen, ich war so oft überrascht von der Kompetenz und Besonnenheit der Figuren, den offenen Gesprächen, die so viele Hürden aus dem Weg geräumt haben. Hier wurde für mich auf die richtige Weise mit Klischees gespielt, die aufgegriffen wurden, sich aber dann unter den Taten der Figuren zu etwas ganz Tollem, Eigenständigen entwickelt haben und das Lesen und Entdecken des nächsten cleveren Schachzugs zu eine Freude gemacht haben. Ich bin wirklich positiv beeindruckt von der Autorin, dass sie eine so einzigartige, spannende Geschichte geschrieben hat.
Sie wollte Ebenbürtigkeit. Nicht der Mann als dominanter Bevormunder und auch nicht die Frau als wertvolles Gut, dem der Mann am besten nur diente. Sie mochte es nicht, wenn einer über dem anderen stand.
S. 136
Das Gegengewicht zu der tollen Handlung war allerdings der Schreibstil. Es war ein beständiger Mix aus tollen Weisheiten, Gesellschaftskritik und hölzernen Phrasen. Manchmal lasen sich Passagen etwas unbeholfen, dann gab es aber wieder so tolle Zitate von Eloise oder Kastor oder den Mäusen, dass ich mich gefragt habe, wie das zusammenpasst. In gewisser Weise schreibt die Autorin geradeheraus und sehr erklärend, man bekommt immer die Hintergedanken von Eloise erklärt und das sehr, sehr gut. Aber dieses schonungslose, offene wirkte an manchen Stellen dann sehr platt. Das Buch ist teilweise sehr clever geschrieben, man merkt, wie viel Denkarbeit in eine Aktion der großen Ketzerin geht, wie sehr die Folgen abgewogen werden, welche Auswirkungen es geben könnte. Es ist sehr berechnend, so das die manchmal ungeschickt wirkenden Sätze in einem starken Kontrast dazu stehen. Aber ich habe Hoffnung, dass der Schreibstil sich im nächsten Band verbessert.
Fantasy oder doch Science Fiction?
Das Buch zeigt sich erst mit einem mittelalterlichen Setting, Begriffe wie Orden, Ketzerin, Glaube, Galgen und Stadtwache versetzen den Leser in eine mittelalterliche Stadt, die fest in der Hand des Ordens liegt, der seinen Glauben lehrt. Auch die Umgebungsbeschreibungen zeichnen ein sehr mittelalterliches Bild, was auch gut zu der Atmosphäre einer Robin-Hood-Neuerzählung passt. Allerdings wird im Buch auch oft von einer Zeit gesprochen, die die große Katastrophe genannt wird und Rückstände dieser Zeit zeigen sich in Ruinen, wo Autos und Flugzeuge auftauchen, Gebäude, die einen ganz anderen Baustandard haben, außerhalb der Stadtmauern. Es wird auch oft von Plastikmüll geredet, der von den Straßenkindern wiederverwendet wird, was ich irgendwie witzig fand. Das Buch spielt also definitiv in der Zukunft und man kann von einem großen Krieg oder ähnlichem ausgehen, dass die Menschheit in die Zustände eines mittelalterlichen Lebens zurückversetzt hat. Ich finde das ziemlich clever, es gibt ja genug Theorien die davon sprechen, dass ein dritter Weltkrieg unseren technischen Standard völlig zerstören würde. Viele Dystopien haben in einer Zukunft gespielt, die unserer Gegenwart in Technik ähnlich war, aber selten ist jemand aufs Ganze gegangen und hat die Menschheit wieder zurückgeworfen.
Fazit
Eloise ist ein fulminantes Debüt das mich zum Staunen gebracht hat, zum zustimmend nicken und zum grinsen. Eine andere Art von Dystopie, die mit Szenarien spielt, mit bekannten Fehlern in der Gesellschaft, mit Doppelmoral. Dieses Buch hat alles, was ich mir von ihm wünsche.
Eloise – Hinter den Mauern des Feindes
Verlag: Carlsen ・ Seiten: 341・ Format: Taschenbuch, ePub ・ Preis: 12,99€ (TB); 3,99€ (ePub) ・ Erscheinungstermin: 28. Februar 2020 ・ Link zur Verlagsseite
Nenatie meint
Hallo Friederike,
das Buch klingt wirklich interessant! Ich muss ja zugeben dass ich es bis jetzt eher ignoriert habe weill es nach einem typischen Romantasy Buch klingt. Scheint aber doch etwas besonderes zu sein!
LG
Friederike meint
Hallo Nenatie,
es gibt auch durchaus einen großen Anteil von Romance in dem Buch, aber selbst den fand ich von den Beziehungen her so wundervoll geschrieben, wie den „unromantischen“ Teil. Ich kann es nur empfehlen und bin gespannt auf weitere Werke der Autorin.
Alles Liebe
Friederike.