Es ist schon eine Weile her, dass ich auf meinem Blog von Kim Nina Ocker erzählt habe. Zweitausendundsiebzehn habe ich ein Buch von ihr rezensiert und dann habe ich zwei Jahre gewartet, bevor ich die Reihe fortgesetzt habe. Ich hatte mit dem zweiten Teil so meine Problemchen, ich bin mit der Protagonistin nicht ganz warm geworden, was einfach daran lag, dass wir nichts gemeinsam haben. Like Nobody Else ist Band 3 der Upper East Side-Reihe und mein persönlicher Favorit.
Darum gehts
June muss endlich ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen und sucht sich einen Alltagshelfer für College und Erledigungen, weil sie seit einem schweren Autounfall eine Bewegungseinschränkung hat. Sam klingt in ihrer Bewerbung perfekt und June gibt ihr eine Chance, nachdem sich alle anderen Bewerberinnen unsensibel und pampig gewesen sind. Nur stellt sich Sam als Er und nicht als Sie heraus. Etwas, dass June unbedingt vermeiden wollte.
Meine Meinung
Ich bin bei diesem Buch emotional nicht ganz unparteiisch. Meine Oma hatte nach einer Operation eine ganz ähnliche Bewegungseinschränkung wie June gehabt, deswegen habe ich mich zu dem Buch hingezogen gefühlt. Aus meiner eher kleinen Perspektive kann ich deswegen kaum die Dimensionen der Repräsentation abklären, aber auf mich wirkte es gut recherchiert.
Ich habe etwas, das man Parese nennt. (…) Meine linke Seite ist nicht normal belastbar, das bedeutet, dass ich bei manchen Dingen im Alltag Schwierigkeiten habe.“
S. 11
Eine Parese ist, laut Google, eine motorische Schwächung, bzw. eine leichte Lähmung. Für June bedeutet das, dass ihre linke Körperhälfte eingeschränkt ist und je nach Tagesform variiert ihre Beweglichkeit. Manchmal kann sie fast normal laufen, wann anders ist sogar einen Reißverschluss schließen eine Herausforderung. Diese „guten und schlechten Tage“ hatte meine Oma auch und da fand ich den Konflikt nun wirklich spannend. Meine Oma war 73 Jahre alt, June ist Anfang zwanzig. Für meine Oma war klar, dass mit dem Alter und ihrer Krankheit Einschränkungen kommen werden, aber bei einem jungen und sonst gesunden Menschen? Ich habe sehr gerne aus Junes Sicht gelesen, denn sie musste einige Stadien in diesem Buch durchlaufen, um bis dahin zu kommen, wo sie am Ende ankommt. June lebt ein sehr behütetes Leben, ihre Eltern sind nach dem schrecklichen Autounfall, der nicht nur Junes Beweglichkeit gefordert hat, extra vorsichtig und stellen einige Bedingungen, als June ausziehen will. Ich fand auch diesen emotionalen Teil sehr spannend, denn für Eltern muss es wirklich schwer sein, eine Tochter los zu lassen, wenn man erlebt hat, was passieren kann.
Sie hat schreckliche Angst, dass dieser Unfall noch nicht vorbei ist. Dass seine Folgen dich immer noch in Gefahr bringen. Jeden Morgen beim Aufstehen hat sie Angst, dass das dicke Ende noch kommt.“
S. 222, Junes Vater über ihre Mutter
Ich könnte stolpern und eine Treppe runterfallen oder mitten auf der Straße zusammenbrechen, weil mein Knie schlappmacht. Ich glaube, sie denken, dass ich auf viel mehr Arten sterben kann als normale Menschen.“
S. 290, June über ihre Eltern
Eine dieser Bedingungen ist der Alltagshelfer und June selber hat auch gewisse Ansprüche an ihre Selbstständigkeit, beispielsweise muss ihre Wohnung barrierefrei sein, denn sie will auch alleine zurecht kommen können, sie ist kein Pflegefall. Im Lauf der Handlung kämpft June mit ihrer körperlichen Unfähigkeit, Panikattacken beim Autofahren, ihrer Angst vor Unfällen, denn nicht einmal abfangen kann sie sich ordentlich, sollte sie stürzen. Der Weg in die Selbstständigkeit ist lang und schmerzhaft, Physiotherapie ist nicht alles, denn June muss auch an sich glauben können, wieder Selbstvertrauen aufbauen. All das passiert eher schleichend. Die Upper East Side Reihe ist für ihre langen Zeitspannen bekannt, in den vorherigen Romanen konnte es sich manchmal ziehen, aber hier fand ich die Zeit wirklich sinnvoll genutzt, weil June so viel lernen und bewältigen musste. Es ist ein sehr schleichender, langsamer Prozess, man kann nicht einfach von heute auf morgen sein Leben so komplett umkrempeln, erst recht nicht, wenn man so viel beachten muss, wie June.
An dieser Stelle kommt Sam ins Spiel. Sam ist ein wirklich guter Kerl, der sich manchmal vielleicht zu viele Gedanken um andere macht, als gut für ihn wäre. Sams Hauptziel ist es seinen kleinen Halbbruder aus dem missbräuchlichen Haushalt seiner Stiefmutter heraus zu holen, aber das Sorgerecht zu tragen, wenn man keine eigene Wohnung und festen Job hat, ist schwierig. Die Stelle bei June ist wie geschaffen für ihn, denn Junes Eltern zahlen gut und die Arbeitszeiten sind menschlich. Ich habe sehr gerne aus Sams Perspektive gelesen, weil er manchmal einen doch ganz anderen Blick auf Junes Situation brachte, als mir das jemals eingefallen wäre. Sam unterstützt June und spornt sie an, er erkennt instinktiv, dass ihr größtes Hindernis ihr Selbstvertrauen ist und nicht ihr Körper. Er lockert vertrackte Situationen auf, nimmt June die Selbstzweifel durch seinen Humor und ist ihr ein emotionaler Beistand. Was weit mehr ist, als in seiner Stellenbeschreibung steht.
Ich wollte sichergehen, dass June okay war. Dass sie und ihre Gedanken nicht in einen der Abgründe rutschten, die in ihrem Kopf zu lauern schienen
S. 257
Die etwas plakative Grundlage für die Handlung – junge Frau verliebt sich in den Mann, der ihr täglich hilft – kommt durch die gut geschriebenen Charaktere gar nicht so schlimm rüber und June ist auch zu Beginn nicht müde zu betonen, dass sie Sam kaum braucht. Das obligatorische Treppe-rauf-tragen kommt vor, aber ich fand es gut genug in der Chemie der Charaktere verankert, dass es nicht kitschig oder überflüssig wirkte. Die Chemie zwischen June und Sam ist hier wirklich das A und O der Handlung, denn viele Raumwechsel und besondere Situationen gibt es nicht. Ich hatte damit aber kaum ein Problem, besonders, da June sich in fremden Umgebungen sehr unwohl fühlt und nur auf unsensible, abwertende Kommentare wartet. Der Hauptkonflikt in der Liebesgeschichte kann durchaus etwas frustrierend wirken, weil die Kommunikation in manchen Punkten aussetzt, aber ich fand es dennoch stimmig, denn im Vorfeld wurde genug Arbeit in die Beziehung gesteckt, um die Reaktion glaubhaft zu machen.
Ich war auf dem besten Weg in eine Katastrophe. Und ein Teil von mir konnte es beinahe nicht erwarten.“
S. 181
Fazit
Ich war von diesem abschließenden Band, der ein paar Gastauftritte der anderen Pärchen und Charaktere natürlich nicht auslassen konnte, sehr überzeugt. Ich möchte das mit einem so speziellen Thema gearbeitet wurde und bin auch mit dem Ende sehr zufrieden. Ich fand es realistisch, die Charaktere haben sich gut entwickelt und voneinander gelernt. Mein Buch zählt nun unglaublich viele markierte Stelle, ich war so begeistert von der Wortgewalt der Autorin und wie sie die Situationen zusammengefasst hat.
Like Nobody Else
Verlag: Lyx.digital ・ Seiten: 485 ・ Format: eBook ・ Preis: 6,99 €・ Erscheinungstermin: 02. November 2018 ・ Link zur Verlagsseite
*Danke an NetGalley und den Verlag für die Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars.
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