Dieses Buch hat mich das erste Mal im Juni, in Dresden angeschaut. Ich bin durch den großen Thalia gewandert und wurde bei dem Namen stutzig. Ein Sommerdrache? Was soll das denn sein? Kann er nur im Sommer leben, bringt er den Sommer, oder was? Ich zog es aus dem Regal, schoss ein Bild vom Klappentext und vergaß es wieder. Und dann schaute ich ein paar Wochen später die Wohnungstour von Tami Fischer auf YT und da tauchte das Buch wieder auf. Weil ich gerade unglaublich viel Spaß an Drachenbüchern habe, habe ich es dann schlussendlich beim Verlag als Rezensionsexemplar angefragt (weil Studentin), und mich sehr gefreut, als ich eine Zusage bekam. Als das Buch bei mir landete war kein Halten mehr und ich habe es in mehr oder weniger zwei Etappen gelesen.
Darum gehts
Maia ist mit ihren Brüdern auf einem Aery aufgewachsen, wo Drachen gezüchtet werden. Sie kennt Drachen, weiß wie sie leben und sich verhalten und sie hätte nichts lieber als einen eigenen Drachen. Da sich ihr Land aber im Krieg befindet werden alle Drachenküken jährlich ans Militär übergeben und Maia aufs nächste Jahr vertröstet. Auf einem Jagdausflug im Wald begegnet ihrem Bruder und ihr dann ein ganz besonderer Drache: Getig, der Sommerdrache. Als Drachenhoheit gilt er als gutes Omen und Maia weiß einfach, dass sie dieses Mal ein Drachenküken bekommt. Aber dann traut ihr der Priester nicht wegen der Erscheinung Getigs und nur ihr Bruder bekommt ein Küken versprochen. Also zieht Maia los, um sich ein wildes Küken zu fangen.
Meine Meinung
Dieses Buch ist so viel mehr, als man aus dem Klappentext erahnen kann, obwohl dieser den ersten Abschnitt des Buches sehr gut zusammen fasst. Ich bin absolut verliebt in diese Welt, die Figuren, den Konflikt. Es ist so vielschichtig und komplex, dass ich wieder einmal nicht weiß, wie ich eine Rezension tippen soll, die dem gerecht wird. Ich würde es thematisch zu George R. R. Martin und Robin Hobb packen, es hat ähnliche Themen und ist genauso gut ausgearbeitet. Es kann brutal und eklig sein, witzig und gefühlsduselig. Die Welt ist nicht so schwarz und weiß, wie man zu Beginn denkt und die einzelnen Handlungsstränge sind wunderbar miteinander verwoben. Der Sommerdrache ist der Auftakt der Ewige-Gezeiten-Trilogie, aber bisher ist noch nichts über einen zweiten Teil bekannt. (Was bedeutet, dass ich einmal up-to-date mit einer Buchreihe bin, wohooo!)
Dieses Buch hat mich zuerst durch seinen Weltenbau überzeugt. Todd Lockwood schreibt unglaublich gut über Drachen, er bindet so viele verschiedene alltägliche Elemente mit ein, setzt diese so genial mit Drachen zusammen, dass einfach alles absolut logisch und glaubhaft wirkt. Dinge wie Luftströmungen, Futtergewohnheiten, Körperbau und sozialer Kontakt spielen eine Rolle, was mir niemals eingefallen wäre. Drachen sind bei ihm keine mythologischen Wesen, sondern feste Bestandteile des Ökosystems und sogar die Grundlage von Religionen. Glaube spielt in diesem Buch eine größere Rolle als erwartet, aber es ist so essentiell für die Welt und Handlung, dass ich ihn mir nicht wegdenken kann. Es gibt Priester, Kriegermönche, Extremisten und Magie, die in Form von Avar, Erscheinungen in Drachenform auftreten und ein Spiegel der Strömungen ihrer Zeit sein sollen. Die Religion der Drachenhoheit Korruzon hat eine Möglichkeit entwickelt eine geistige Verbindung zwischen einem Drachen und einem Menschen herzustellen, welche durch Tattoos gefestigt wird. Wer einmal dieses Prozess durchlaufen hat ist in der Lage besser mit seinem Drachen zu arbeiten, es entwickelt sich leichter eine Freundschaft und gegenseitiges Verständnis. Diese Verbindung war unglaublich spannend, denn je nachdem, wie tief sich der Mensch darauf einlassen kann, desto wirkungsvoller arbeiten Drache und Mensch als Team.
Das Land Gurvaan, in dem Maia lebt, befindet sich im Krieg mit dem Nachbarland Harodh, einem Volk bleicher Menschen, die für diesen Krieg unvorstellbare Dinge tun. Sie haben eine Art Zauber erschaffen, der Menschen und Drachen in verbrannte Kampfmaschinen verwandelt und es sogar erlaubt ihre Körper zu kombinieren. Diese Krieger nennt man Skraak und sie überrennen die Zuchtstätten der Drachen von Gurvaan. Ein großer Aery ist zu Beginn des Buches bereits verloren und die Harodhi scheinen sich nur dem Aery von Rita, dem von Maia, zuzuwenden.
Jemand hatte Handgelenke, Beine, Schwingen und einen Torso an dieses Gestell geschnallt. Im oberen menschlichen Teil glimmte noch immer das schwache, untote, grausam grüne Licht. Der Kopf hing schlaff nach hinten, die teuflischen Augen starrten leer. Der Drache darunter war wie ein totes Gewicht zusammengesackt und zog an der unvollendeten Naht, welche beide Teile miteinander verband.
S. 590
Ich will nicht zu viel über dieses Buch verraten, weil die Entdeckungsreise der beste Teil für mich war. Maia ist eine junge Frau, die mehr sein will als ein schönes Gesicht und sich, als niemand von den Männern sich für sie einsetzt, eben selbst hilft. Maia hat ein natürliches Gespür für Drachen, eine Begabung und will diese nutzen. Sie begibt sich auf die Suche nach einem Drachenküken und entdeckt dabei in einem nahe gelegenen Berg eine Gruppe feindlicher Spione. Auf der Flucht durch diesen Berg stolpert sie über die Reste einer Zivilisation, von der sehr wenig bekannt ist. In eine heftige Verfolgungsjagd verwickelt bleibt Maia kaum Zeit, sich Gedanken über diese Zivilisation zu machen, aber das ausgeprägte Höhlenlabyrinth, dass offenbar mehr als einer Drachenhoheit gewidmet ist, bringt viele Geheimnisse, bei denen es mir unter den Fingernägeln brannte, sie zu erforschen. Dieser Teil war so spannend und nervenaufreibend, dass ich ganz angespannt auf meinem Sitz im Reisebus hockte und mich bewusst aus der Handlung holen musste, weil sie so einen starken Sog entwickelte. Maja ist sehr einfallsreich und zielstrebig, sie ist vorsichtig und überlegt, eine Heldin ganz nach meinem Geschmack. Ich war im ganzen Buch nicht einmal wegen ihr frustriert, diesen Teil haben die männlichen Figuren übernommen. Mit ihrer Aktion tritt Maia eine Revolution los, etwas, das sie nie gewollt hatte, aber nicht verhindern kann. Sie gerät zwischen die Mühlräder von Politik und Religion, Glaube und Wissen und dabei wollte sie doch nur endlich ein eigenes Drachenküken. Maia entwickelt einen Katniss-Everdeen-Effekt, was ich unglaublich spannend finde. Sie wird zum Symbol einer Sache, ohne es zu wollen oder zu provozieren und es wird mehr in ihre Handlungen hineininterpretiert, als sie sich dabei gedacht hat und passiert ist. Der schiere männliche Unglauben, dass eine junge Frau recht haben könnte stand dabei vielen Figuren im Weg. Die Beziehung zwischen Aktion und Reaktion ist wahnsinnig spannend und komplex, ich bin sehr gespannt, wie sich das in den folgenden Büchern noch entwickeln wird.
Ich würde nicht länger untätig darauf warten, dass Mabir, Bellua oder Vater alles ins Lot brachten.
S. 127
Apropos Drachenküken: Alle Tierbabys sind süß, aber Drachenküken setzen dem nochmal die Krone auf. Durch ihre ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten sind Drachenküken neugierig, abenteuerlustig und zutraulich. Am liebsten hätte ich durch die Seiten des Buches gegriffen und mir selber eins ausgesucht. Wenn ich vor lauter Spannung nicht fast gestorben bin, war ich von den Drachen total entzückt, es wurde einfach nie langweilig mit ihnen. Ein Drachenküken beispielsweise, ist beim erlernen der Befehlsworte etwas langsam gewesen und war schlussendlich von seinem Lernerfolg für das Wort für Huhn – Bak Bak – so stolz, dass es nur noch dieses Wort benutzt hat und sein Spitzname Bak Bak wurde. Andere Drachen haben es so gerufen und die Reaktion des Besitzers war einfach göttlich. „Du hast aus meinem Drachen ein Huhn gemacht!“ (S. 328)
Das Buch besticht zwar auch durch seine tolle Darstellung von Drachen, aber für mich waren auch die familiären Bande wichtig, die hier eine Rolle spielen. Maias Familie besteht seit dem Tod ihrer Mutter aus ihr, ihrem Vater, ihrem großen Bruder Tauman, seiner Frau Jhem und ihrem minimal älterem Bruder Darian. Jhem und Maia verbindet eine tolle Beziehung, sie unterstützen sich auf eine Art und Weise, wie es nichtmal Maias Brüder tun. Maia leidet etwas unter ihrem Bruder Darian, der sie immer dumm dastehen lässt und bevorzugt wird. Der unterschwellige Sexismus, dem Maia im Buch gegenüber steht, ist von Mikroaggressionen und Verunsicherung gespeist und wird durch die religiösen Vertreter nur gefördert. Maia kämpft dagegen an, nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht falsche Verhaltensweisen offen an. Ich hätte gerne ganz oft applaudiert, so großartig war es, wie Maia die Verhaltensweisen in verständliche Worte gefasst hat und auf Missstände aufmerksam gemacht. Eine Sache hätte für mich in diesem Buch nicht sein müssen: Die Liebesgeschichte. Maia selber hat keinerlei Gedanken in diese Richtung verschwendet, dazu war ihr Zuhause zu sehr in Gefahr. Die Aufmerksamkeit, die sie bekam war nicht immer positiver Natur, aber ich fand es unnötig ihre Schönheit dafür verantwortlich zu machen. Maia kann auch durch ihre Intelligenz und Charaktereigenschaften anziehend sein. Dazu muss ich aber auch sagen, dass der Fokus auf ihr Aussehen immer von den männlichen Figuren ausging und Maia selber sich nicht darüber definiert hat.
Zuletzt muss ich noch erwähnen, dass der Autor ein sehr talentierter Zeichner ist. Er hat für Dungeons & Dragons designt und für andere Autoren gezeichnet, beispielsweise für Marie Brennan, die Lady Trends Memoiren geschrieben hat. Nicht nur hat Todd Lockwood das Cover selbst designt, er hat auch für das Buch bis zu 12 Zeichnungen angefertigt, die in den Kapiteln verstreut sind. Das hat manchen Szenen mehr Gestalt verliehen, als mir lieb ist, war aber dennoch einfach unglaublich cool. Bisher ist Der Sommerdrache ein Jahreshighlight für mich und ich freue mich sehr ein so fantastisches Drachenbuch gefunden zu haben.
Der Sommerdrache
übersetzt von: Franca Fritz & Heinrich Koop – Verlag: Fischer TOR – Seiten: 653 – Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook – Preis: 16,99 Euro (TB); 14,99 Euro (ePub) – Erscheinungstermin: 25. April 2018 – Link zur Verlagsseite
[…] Kennt ihr dieses Drachenbuch schon? Ich persönlich fand es ganz toll und kann es Drachenliebhabern nur ans Herz legen. Zur Rezension geht es hier entlang. […]