Seit November letzten Jahres schleppe ich dieses Buch mit mir herum. Lesen wollte ich es schon, seit es im Original erschienen ist, ein Mulan-Retelling von der Autorin, die mich 2016 mit Zorn und Morgenröte so begeistern konnte. Dass ich bis jetzt gebraucht habe, um das Buch zu beenden, sagt schon einiges aus. Aber mit so einer Geschichte habe ich echt nicht gerechnet.
Darum gehts
Mariko fügt sich in die Rolle der sittsamen Tochter und begibt sich auf die Reise in die kaiserliche Hauptstadt, wo sie den Kaisersohn Raiden heiraten soll, um ihrer Familie Ansehen und Ehre einzubringen. Als ihr Begleitzug überfallen wird und klar ist, dass jemand Mariko tot sehen will, schmiedet sie den Plan die Angreifertruppe – den Schwarzen Clan – zu infiltrieren und den Auftraggeber zu finden und sich zu rächen. Befreit von den Erwartungen und Schranken eines Mädchens geht sie in ihrer Rolle als Junge auf und findet unter den Mitgliedern des Schwarzen Clans mehr als sie erwartet hatte. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Ehre und dem was sie sieht, muss Mariko entscheiden, ob sie die Augen vor der Wahrheit verschließen will oder für das Kämpfen, was richtig ist.
Meine Meinung
Zuallererst ist mir aufgefallen, dass keines der Fremdworte in dem Buch erklärt wird. In der deutschen Ausgabe gibt es hinten ein Glossar, was gut gewesen ist, mir aber viel zu spät aufgefallen, weshalb ich mich schon daran gewöhnt hatte, mit so wenig Information wie möglich zu arbeiten. Die Welt ist an das feudale Japan angelehnt, das heißt, es gibt Schwerter und andere Waffen, Ränge und Umgangsweisen und alle werden nicht erklärt. Hätte ich nicht vorher schon ein bisschen – wirklich minimal – Ahnung gehabt, ich wäre nach drei Kapiteln hoffnungslos verloren gewesen. All die Begriffe der Samurai und die förmlichen Redewendungen prallten damit aber völlig an mir ab. Ich habe zu diesem Teil des Buches nichts mitgenommen. Zumindest nicht aus dem Buch selber, sondern höchstens, weil ich die Kultur interessant fand und selber nachgeschaut habe. Ich kann verstehen, wenn die Autorin nichts erklärt hat, weil sie das Buch für die weißen, privilegierten Leser nicht runter dummen wollte, sondern ein repräsentatives Buch über diese Kultur schreiben wollte, dass sich nicht verstellen muss. Für mich hat das aber leider nicht funktioniert.
„Sie wehrte sich dagegen, wie ein in einem Käfig eingesperrtes Tier zu sterben. Wie ein Mädchen, dem nichts blieb als nur ihr Name.“
6%
Mein größter Kritikpunkt in diesem Buch ist der Schreibstil. Ich weiß nicht, wie viel der Übersetzung geschuldet ist, aber die Übersetzung an sich ist schon merkwürdig. In einem Satz wird von „Wangenlöchern“ geredet, was bei mir nur ironisches Lachen ausgelöst hat. Dann sind Gespräche so unstimmig verfasst, dass ich nachdenken musste, um zu verstehen, was die Figuren zu einander sagen. Sätze wie „Du kennst meinen Ursprung nicht“ (44%) oder „Mariko wäre beinahe herausgeplatzt“ (61%) klingen für mich einfach komisch. Ich finde, da hat die deutsche Sprache mehr und schönere Möglichkeiten, das auszudrücken. An manchen Stellen konnte ich den Satzbau des Englischen erkennen und das liegt nicht daran, dass ich gut Englisch kann. Das fand ich besonders ärgerlich, weil die Autorin versucht hat, eine Atmosphäre mit ihrem Schreistil zu erschaffen, versucht hat, mit Sprache kreativ zu arbeiten, und für mich hat es auf Deutsch einfach nicht funktioniert. Allerdings ist auch der Versuch der Autorin für mich nur ein Versuch geblieben, denn einfache Wortphrasen mit einem Punkt zu versehen, ist kein ausgeklügelter Schreibstil und wirkte einfach nur sehr plump und ermüdend auf Dauer.
„Vielleicht ist meine Art Stärke nicht dieselbe wie eure, Vielleicht ist meine Art Stärke leicht wie eine Feder.“
44%
Eine weitere Sache, die das Buch für mich so schwer gemacht hat, war Hauptfigur Mariko. Sie ist wahnsinnig privilegiert, fühlt sich in ihrer Rolle als sittsame Tochter unterdrückt und übersehen – was durchaus verständlich ist – und hält sich für wahnsinnig schlau. Ach, und seltsam. Nur weil Mariko Interesse an Alchemie hat, ist sie seltsam. Jedenfalls fasst sie nach dem Überfall den Entschluss den Schwarzen Clan zu infiltrieren und sich zu rächen. Gedacht, getan. Mariko wird als Junge verkleidet in den Clan aufgenommen und benimmt sich fortan wie die schlechteste Spionin der Welt. Sie kann ihre Klappe nicht halten, stellt tausend Fragen, verrät viel zu viel über sich selbst, kann Situationen nicht einschätzen oder interpretiert sie meiner Meinung nach völlig falsch und benimmt sich einfach unglaublich dumm. Ihre Sturheit wird nur von ihrer laschen Impulskontrolle übertrumpft, die entweder darin endet, dass sie jemanden küsst oder umbringt. Ich dachte, diese Art Figur haben wir schon vor fünf Jahren hinter uns gelassen. Ich bin lange nicht mehr über eine so klischeebelastete Figur gestolpert, wie bei Mariko.
„Ich dachte, ich hätte alle Antworten. Oder wenigstens einige. Jetzt weiß ich, dass ich nichts verstehe.
Mariko, 86%
Ich denke, was mich an Mariko so gestört hat, war, dass sie sich konstant selbst überschätzt hat. In der Erzählperspektive wird dauernd etwas über sie festgelegt, dass sie in ihren Handlungen einfach nicht zeigt. Mir wird das eine über sie gesagt und dann tut sie etwas anderes oder auch gar nichts.. Und das trifft leider auch auf einige andere Figuren zu. Mit großen Worten und bedeutungsvollen Sätzen werden Figuren angepriesen, die diese Erwartungen dann nicht erfüllen. Es gibt ein paar starke Botschaften in diesem Buch, die aber leider total untergehen, weil sie nur Botschaften bleiben. Sie werden nicht umgesetzt, es wird nicht gezeigt, wie viel Wahrheit in diesen Sätzen stecken kann.
Mich nervte auch, dass Nichts aufgearbeitet wird, das als wichtig aufgezogen wurde. Es wird nicht geklärt, wer Mariko töten wollte, wie der Schwarze Clan dazu steht. Mariko fragt nicht. Sie hat die Möglichkeiten dazu, aber sie tut es einfach nicht. In der einen Szene schwört sie noch Stein und Bein, dass sie Antworten kriegen wird, dann wird ihr ein kleiner Friedenszweig angeboten und Zack – alle Fragen vergessen. Es handelt sich hier um eine zweiteilige Reihe, ich weiß, dass noch nicht alle Fragen geklärt werden können, aber keine Frage wird geklärt! Es werden so viele Möglichkeiten aufgerissen, so viel Fragen in den Raum gestellt und alle werden übergangen. Das war wahnsinnig frustrierend. Ich finde, so baut man keine Spannung auf, sondern verscheucht nur seine Leser.
Allerdings hatte das Buch auch seine besseren Seiten, als nämlich die anderen Figuren erzählt haben. Marikos Erzählstimme wird sporadisch von ihrem Bruder Kenshin, der sie sucht, Okami, der sie ausbildet und von einigen Figuren aus dem kaiserlichen Palast abgelöst. Diese Handlungsstränge haben mich am weiterlesen gehalten. Man erhält einen besseren Einblick in die Welt, erfährt allerdings auch nicht zu viel, um von der Handlung nicht mehr überrascht zu werden. Kenshins Suche nach seiner Schwester war spannend, weil er aus den falschen Annahmen nach ihr suchte und ich fand das Spiel von Intrigen und Verschwörungen recht gut gemacht. Kenshins Perspektive bietet die Möglichkeit zu zeigen, dass mehr hinter Marikos angeblicher Entführung steckt, dass der Feind ein anderer ist und die ganze Affäre mehr zu bieten hat, als es im ersten Moment erscheinen mag.
Letztendlich hat mich das Buch mehr enttäuscht, als unterhalten und das finde ich wahnsinnig Schade. Ich fand, dass die Geschichte Potential hatte, das einfach nicht ausgeschöpft wurde. Statt einer nachdenklichen, feministischen Erzählung im Rahmen der japanischen Samurai wurde ein mittelmäßiges Jugendbuch geschrieben, das schon in tausend anderen Versionen existiert.
Das Mädchen aus Feuer und Sturm
übersetzt von: Martina M. Oepping | Verlag: ONE | Seiten: 415 | Format: Gebundenes Buch, eBook | Preis: 18,00€ (HC), 13,99€ (ePub) | Erscheinungstermin: 28. September 2018 | Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag und NetGalley für die Bereitstellung des kostenlosen Rezensionsexemplares.
evilgenius meint
Das klingt nicht gut …
Als das Buch erschienen ist, hatte ich zunächst kein Interesse, obwohl mir die erste Dilogie der Autorin wie dir richtig gut gefallen hatte. Immerhin bin ich keine ganz so große Mulan-Enthusiastin wie scheinbar der Rest der Welt. Dann ist die deutsche Übersetzung erschienen, ich habe den Klappentext noch einmal gelesen und doch gedacht, dass es mir gefallen könnte. Was du aber erzählst, lässt mich die Sache erneut erwägen :/
Es hatte ohnehin nie Priorität, da habe ich also alle Zeit der Welt xD
Friederike meint
Hallo!
Ich habe Mulan auch erst vor einem Jahr zum ersten Mal gesehen, ich habe allgemein sehr wenig Disneyfilme gesehen und hänge an denen auch nicht so sehr, wie scheinbar der Rest der Welt. Von der Handlung hatte ich gar nichts in die Richtung Mulan erwartet, sondern eher von der Atmosphäre her, also, dass die Hauptfigur sich durchkämpft und beweist, dass Frauen genauso viel leisten können, wie Männer. Das ist aber letztendlich nicht passiert. Ich fands zwar ganz schön, dass verschiedene Arten von Stärke gezeigt werden wollten, aber so ganz hat das im Vergleich nicht funktioniert.
Falls du das Buch doch liest, hoffe ich, dass du mehr Gefallen daran findest. Oftmals hilft es mir schon, einfach meine Erwartungen runter zu schrauben, dann kann ich Bücher auch echt genießen.
Alles Liebe und Danke für deinen Kommentar,
Friederike.
Janika meint
Liebe Friederike,
von diesem Buch habe ich bisher üüüberhaupt nichts gehört. Wirklich absolut null! Der Klappentext klingt aber super interessant, weshalb ich es umso trauriger finde, dass dich das Buch nicht überzeugen konnte. Ich verstehe deine Argumente aber und finde es absolut nachvollziehbar, dass dich die Geschichte mehr enttäuschen als begeistern konnte. Mir würde auch so gehen – allein weil wenig erklärt wird und ich nicht die Bohne von Samurai-Kultur und Co habe.
Alles Liebe
Janika
Friederike meint
Liebe Janika,
ich denke, dass der Verlag einfach ein bisschen zu lange mit der Übersetzung gewartet hat. Aber ja, von dem Buch hört man nur, wenn man sich mit dem One-Verlag beschäftigt. Ich fands auch echt traurig, dass das Potential nicht umgesetzt wurde, in Zukunft werde ich bei Büchern der Autorin wohl doch vorsichtiger sein.
Danke jedenfalls für deinen Kommentar, es tut so gut zu lesen, dass man eine Meinung nachvollziehbar rüber bringen konnte.
Alles Liebe
Friederike.