Dieses Buch geistert schon lange in meinen Gedanken herum. Nach Der Name des Windes war es das erste Buch, dass mich so gefangen nehmen und überzeugen konnte, dabei hat mir nicht einmal alles an dem Buch gefallen. Gelesen habe ich das Buch bereits 2016, aber da demnächst ein neues Buch der Autorin erscheint, möchte ich dieses nochmal vorstellen.
Darum gehts
Agnieszka liebt das Tal, in dem sie lebt: Das beschauliche Dorf und den silbern glänzenden Fluss. Doch jenseits des Flusses liegt der Dunkle Wald, ein Hort böser Macht, der seine Schatten auf das Dorf wirft. Einzig der »Drache«, ein Zauberer, kann diese Macht unter Kontrolle halten. Allerdings fordert er einen hohen Preis für seine Hilfe: Alle zehn Jahre wird ein junges Mädchen ausgewählt, das ihm bis zur nächsten Wahl dienen muss – ein Schicksal, das beinahe so schrecklich scheint wie dem bösen Wald zum Opfer zu fallen. Der Zeitpunkt der Wahl naht und alle wissen, wen der Drache aussuchen wird: Agnieszkas beste Freundin Kasia, die schön ist, anmutig, tapfer – alles, was Agnieszka nicht ist. Niemand kann ihre Freundin retten. Doch die Angst um Kasia ist unbegründet. Denn als der Drache kommt, wählt er nicht Kasia, sondern Agnieszka.
Meine Meinung
In diesem Buch werden viele bekannte Sagengestalten aus den russischen Märchen aufgegriffen, mit denen ich und vielleicht auch ihr aufgewachsen seid. (#Ostkind) Jeder kennt die Geschichten um den Drachen, der ein Dorf terrorisiert und dem eine Jungfrau geopfert werden muss. Manche kennen vielleicht die Geschichte von der Hexe Baba Jaga, die in ihrem Haus auf Hühnerbeinen lebt. Nun, all diese Figuren werdet ihr in Das Dunkle Herz des Waldes wiedersehen, aber nicht in der allgemein bekannten Form. Naomi Novik baut diese bekannten Sagengestalten auf ihre ganz eigene Weise in ihre Geschichte ein und manchmal muss man zweimal lesen, um die Anspielung zu verstehen.
Das Böse in diesem Buch, das von Anfang an in der Geschichte präsent ist, kann nicht bekämpft werden. Der Wald, der Menschen verschleppt und widerwärtigen Kreaturen eine Heimat bietet, wächst mit jedem Leben, dass er nimmt und vergiftet jemanden schon durch seine Luft. Die Heldin des Buches, Nieshka, ist im Schatten dieses Waldes aufgewachsen und kennt seinen Schrecken nur allzu gut. Als sich ihr Leben an einem Tag komplett ändert und sie plötzlich die Dienerin eines Zauberers ist, erweisen sich ihre Erfahrungen mit dem Wald als Fluch und Segen zugleich. Denn Nieshka ist nicht gewillt einen weiteren geliebten Menschen zu verlieren, wenn etwas dagegen unternommen werden kann. Und so beginnt sie alles auf den Kopf zu stellen, dass der Zauberer bis dahin für gegeben hielt. Ich mochte sehr, wie wenig sich Nieshka sagen lies. Dabei kam sie nämlich keinesfalls als stur oder uneinsichtig rüber, sondern nutze ihr umfangreiches Wissen, um Regeln aufzubrechen oder zumindest zu umgehen. Das beschreibt ihren ganzen Charakter auch sehr gut, denn Nieshka passt in keine der Schemata, nach denen die magische Gemeinde in diesem Buch gerne lebt.
Nach dem Lesen hatte ich wiederstreitende Gefühle, die auch nach Wochen noch anhalten. Dies ist aber nicht etwa dem Buch geschuldet, sondern eher der Tatsache, dass ich die Art Märchen und Fantasiewelt, die in diesem Buch kreiert sind, nicht mag. Wobei mögen auch das falsche Wort ist. Ich finde sie gruselig. Ich bin mit ihnen aufgewachsen in unzähligen Märchenfilmen und immer hing eine düstere, beklemmende Atmosphäre über diesen Welten. Und das ist auch in diesem Buch zu finden. Es ist eine ganz andere Welt, eine ganz andere Art Fantastik, die dem Leser hier gezeigt wird; eine Welt, die nicht schön ist, sondern tödlich und die dir ins Gesicht schaut. Und du weißt genau, wie böse sie ist. Der Gegenpart zu dieser Düsternis ist die Hauptperson: Nieshka. Wenn man sich einmal an die Aussprache des Namens gewöhnt hat (In der Danksagung am Ende wird erklärt, wie man das aussprechen soll!) wird sie zu einer der liebsten Figuren, die es gibt. Sie ist, wie man so schön sagt, selbstbestimmend. Es ist nicht die Geschichte, die sie treibt, sondern sie treibt die Geschichte. Nieshka lässt sich von niemandem etwas befehlen, sie hat immer ihren eigenen Kopf, ist wunderbar trotzig und verbreitet gerade zu Anfang des Buches überall Chaos. Sie ist lebendig und herzerwärmend und gibt einem das Gefühl, nicht allein zu sein, in einer Welt, in die sie eigentlich nicht gehört. In der Geschichte zeigt Nieshka der festgefahrenen Gesellschaft der Zauberer, dass es andere Wege gibt, Probleme zu lösen. Wege, die vielleicht komisch und ziellos erscheinen, aber in einem Rhythmus verlaufen, den kein Lehrbuch der Welt erschaffen kann.
Ebenfalls gefallen hat mir, das keine der Figuren unantastbar war. Ich war erschrocken und erstaunt zu lesen, wie sehr sich hier jede Figur in Gefahr befunden hat, wie gnadenlos die Autorin sein konnte,ohne dabei sinnlose Todesurteile zu verteilen. Hier hat alles einen Preis, einen wirklichen Preis, was ein Element ist, dass ich gerade bei fantastischer Jugendliteratur in letzter Zeit schmerzlich vermisst habe.
Am stärksten beeindruckt hat mich jedoch der Schreibstil. Es fiel mir schwer in die Geschichte rein zu kommen, weil der Stil einfach so ungewohnt und merkwürdig war. Naomi Novik beschreibt Figuren vielleicht nicht am brillantesten oder außergewöhnlichsten, aber sie hat ein Talent, dass man nur selten findet. Ich weiß nicht ganz, wie ich es beschreiben soll, denn sie erklärt Dinge nicht geradeheraus, sondern auf einer Art komplizierten Umweg, der aber gleichzeitig ein so klares Bild von der Atmosphäre der Dinge schafft, dass keine Beschreibung der Welt diese zustande gebracht hätte. Stellt euch einen kleinen Bach im Wald vor, der sich schlängelt und windet, der über Steine hopst und plätschert und eine Weile braucht, bis er einen See gefunden hat. Der Mensch findet natürlich den geraderen, schnelleren Weg, lässt dabei aber die Schönheit der Natur völlig unbeachtet. Ungefähr so schreibt Naomi Novik. Sie nimmt nicht den geraden, einfachen Weg, der dem Buch bestimmt einhundert Seiten weniger gebracht hätten, sondern folgt einer mehr natürlichen Beschreibung, die einen ganz besonderen Zauber in sich birgt. Das ist ebenfalls charakteristisch für die besondere Art von Magie, die die Hauptfigur wirken kann, was ein süßes Easter Egg für aufmerksame Leser ist.
Ich gebe zu, dass das Buch einige Längen hatte. Durch merkwürdig gewählte Absätze wurde die Illusion von langsam vergehender Zeit erschaffen, was mich manchmal am weiterlesen gehindert hat. Dennoch empfinde ich im Gesamtbild den Schreibstil als sehr stark und lesenswert.
Das dunkle Herz des Waldes erzählt von Verständnis und Akzeptanz, von Hass und Beschützerinstinkt, von Freundschaft und Macht. Und wie man diese verbinden kann und muss, um Leben zu erhalten.
Übersetzt von: Marianne Schmidt – Verlag: cbj – Seiten: 570 – Format: Gebunden mit Schutzumschlag; Taschenbuch, eBook – Preis: 17,99 Euro (GB); 9,99 Euro(TB); 9,99 Euro (ePub) – Erscheinungstermin: 21. November 2016 – Neugierig?
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares im Herbst 2016.
Elena meint
Mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen und deine Rezension erinnert mich daran, dass ich vielleicht mal meine Besprechung in den „neuen“ Blog übertragen sollte. Am besten lese ich es davor aber nochmal 🙂
Friederike meint
Liebe Elena,
ich kann dir nur zustimmen. Gerade durch den Blogumzug sind ein paar „gute“ Rezensionen verloren gegangen, aber ich traue mich kaum, sie zu übernehmen, weil ich meine Meinung für outdatet halte und nicht unbedingt die Zeit habe, um die Bücher erneut zu lesen. Ich freue mich, wenn ich bei dir eine Rezension zu DdHdW entdecken kann.
Alles Liebe
Friederike
Zeilentänzerin meint
Das Buch klingt auf jeden Fall sehr interessant, daran kommt man gerade auch schwer vorbei. Deine Rezension finde ich sehr aussagekräftig und ansprechend.
Zeilentänzerin
Friederike meint
Danke,
Das ist sehr lieb von dir. Freut mich, dass meine Rezension dir etwas geben konnte. Tatsächlich habe ich von dem Buch bisher recht wenig gesehen, ich hoffe es findet nun ein paar mehr Leser.
Alles Liebe
Friederike.
Katharina meint
Na toll, jetzt will ich das Buch unbedingt lesen, obwohl ich ja weniger Bücher kaufen wollte 😀 Ich glaube das Buch passt einfach so gut in den Winter und argh, will haben. Deine Rezension hat mich auf jeden Fall noch mehr angefixt, als ich es ohnehin schon war, das Buch klingt irgendwie echt genau nach meinem Ding.
Friederike meint
Mission erfüllt ?. Ich denke, man kann das Buch auch ganz gut im Sommer lesen, besonders wenn Nieshka so viel unterwegs ist. Ich bin schon gespannt, was du sagst, wenn du es gelesen hast.
evilgenius meint
Auf diesen Post habe ich gewartet!
Ich stimme dir vollkommen zu, dass der Schreibstil hier fast das stärkste am Buch war, so ausschweifend und einfach schön – deine Metapher mit dem Fluss trifft es auf den Punkt.
Anfangs war ich sehr irritiert von den häufigen Pausen, die eine Szene nach nur wenigen Absätzen, manchmal auch nur einem, enden ließen, aber während des Lesens habe ich immer mehr Gefallen daran gefunden. Noch so eine einzigartige Eigenschaft 🙂
Und ja, ich habe das Buch mit einem Lächeln im Gesicht und einer sehr guten Bewertung im Kopf zugeklappt, aber gib es zu, du hättest am Ende auch gerne ein bisschen mehr Sarkan + Nieshka gehabt. Oder?!
Friederike meint
Hi,
Ich mochte die Slowburn Romanze der beiden und auch wenn ich nach dem Beenden des Buches gerne noch ein bisschen mehr gehabt hätte, finde ich es nun ganz gut, dass es nicht so groß aufgezogen worden ist. Das stellt oftmals die eigentliche Handlung der Bücher in den Hintergrund oder wird nur darauf reduziert.
Und jaa, diese Absätze fand ich auch merkwürdig, das muss ich gleich noch in die Rezi einfügen.
Freut mich, dass meine Rezension auch dein Empfinden spiegeln konnte ?
Alles Liebe,
Friederike.