Dieses Buch landete sehr kurzfristig auf meiner Wunschliste, weil ich mal wieder Lust auf ein Emma-Scott-Buch hatte und den Klappentext sehr spannend fand. Außerdem ist dieses Cover mega schön und mich hat das suggerierte „zwischen den Zeilen lesen“ des Titels natürlich auch sehr stark angesprochen. Also wurde das Buch bei der Bloggerjury angefragt, ich bekam zu meiner Überraschung eine Zusage und wenige Tage später flatterte das Buch in meinen Briefkasten.
Zum Inhalt
Reichen fünf Minuten, um sich zu verlieben?Thea leidet unter einer dramatischen Form der Amnesie. Sie hat fünf Minuten, bevor ihr Kurzzeitgedächtnis wieder gelöscht wird. Für alle außer Jim Whelan ist sie ein hoffnungsloser Fall. Allein Jim erkennt, dass ihre seltsamen Kunstwerke aus Wortketten ein Hilferuf sind. Trotz aller Widrigkeiten entsteht zwischen ihm und Thea eine tiefe Verbindung. Als sich eine neue riskante Behandlungsmöglichkeit auftut, könnte dies eine Chance für ihre scheinbar unmögliche Liebe sein – oder aber ihr Ende bedeuten …
Quelle: LYX
Das Buch kommt mit Triggerwarnungen, die wieder hinten im Buch ausgeführt werden.
Gegensätze wie Tag & Nacht
Jim ist eine sehr sanfte Seele, die viel durchgemacht hat und mit einer gewissen Verbitterung und Zurückgezogenheit da heraus kam – er erlaubt sich selbst nur das Nötigste im Leben und kämpft immer noch mit der emotionalen Verstümmelung, die ihm in einer Pflegefamilie zugefügt wurde. Aus diesem emotionalen Missbrauch hat sich eine Sprachstörung, ein Stottern gebildet, was sein Leben zusätzlich erschwerte, als Mitschüler begannen ihn dafür zu mobben. Jim hat sich dadurch sehr in sich selbst zurückgezogen und lässt niemanden an sich heran – bis er im Blue-Ridge-Sanatorium anfängt und Thea begegnet. Besonders gemocht habe ich hier, dass nicht allein Thea für Jim gut ist, sondern auch ein Teil des Personals, die Jim in dem, was er tut sehr unterstützen und ihm die Familie geben, die er nie hatte. Die Sorgfalt und Hingabe, mit denen das Personal im Sanatorium gearbeitet hat, war herzerwärmend zu lesen und hat so viel in dem Buch ausgemacht und in Gang gesetzt.
Mein Leben war eine Reihe von Stunden, die ich aushielt, nicht lebte. Mein Lebenslicht war gedämpft und flackerte. Aber ich konnte mich um Thea Hughes kümmern. Das konnte ich.
S. 70
Es gibt einige Kapitel aus Theas Sicht, was ich sehr interessant fand, weil man einen Blick auf das Leben mit der Diagnose bekam. Ich hatte das nicht erwartet, weil ich es mir sehr schwer vorstellte, eine solche Diagnose abbilden zu können, aber Emma Scott hat das für mich sehr gut nachvollziehbar beschrieben. Sie merkt aber nach Ende des Buches an, dass sie sich künstlerische Freiheit in einigen medizinischen Aspekten erlaubt hat und das keine absolut akkurate Abbildung einer solchen Verletzung ist. Ich finde es sehr gut, dass die Autorin so die Karten auf den Tisch legt und aufklärt. Thea hat nur ungefähr 5 Minuten, ehe ihr Kopf wieder das meiste löscht, das passiert ist und fängt nach einem „Neustart“ an immer demselben Punkt wieder an. Es gab auch einige wenige Kapitel, wo Thea gesund gezeigt wurde und dort traf man eine ganz andere Person. Sie war mir unglaublich unsympathisch – die wenigen Szenen die sie in einem gesunden Zustand zeigten, haben sie als sehr lebensfrohen Menschen mit viel Tatendrang gezeigt, aber auch sehr egozentrisch und teilweise respektlos. Thea reißt immer schlechte Witze, wenn ihr eine Situation zu ernst vorkommt, aber gerade in einigen Situationen fand ich das sehr unangemessen. Es wirkte leider oft so, als wenn sie wenig Ernst nimmt und selten an andere denkt. Thea ist der Mittelpunkt eines Raumes, wenn sie das will,
Ihre Schwester Delia fand ich mindestens genauso unsympathisch, sie war unglaublich unhöflich dem Personal im Sanatorium gegenüber – allen voran natürlich Jim – und musste immer wieder auf ihre absolute Befehlsgewalt pochen. Wie oft dem Personal mit Kündigung durch Delia gedroht wurde kann ich gar nicht zählen und macht mich unglaublich wütend. Delia hat seit dem Unfall die gesetzliche Vormundschaft für Thea inne und kann entscheiden, welche Behandlung sie bekommt und wie das Personal mit ihr umzugehen hat. Jims Initiative gefällt ihr gar nicht und sie unterstellt ihm immer wieder sexuelle Motive. Irgendwo verstehe ich, wo diese Furcht und Sturheit herkommt, aber Delia schießt damit mehr als einmal über das Ziel hinaus und wurde mir im ganzen Buch nicht sympathischer.
Nur ungefähr die Hälfte des Buches wird auf die Verletzung Theas verwendet, die andere Hälfte beschäftigt sich mit den verschiedenen Beziehungen und Machtverhältnissen zwischen den Figuren. Die Liebesgeschichte zwischen Thea & Jim steht dabei gar nicht so sehr im Vordergrund, sondern mehr Jims Trauma und Delias Beziehung zu Thea und umgekehrt. Im Buch gibt es einige Stellen in denen die Beziehungen schwierig werden – es wird manipuliert, gelogen, Dinge zurückgehalten, Vertrauen missbraucht. Allerdings ist das Schöne an diesem Buch, dass die Beziehungen nicht in Stein gemeißelt sind. So wie Thea heilen muss, müssen auch alle anderen Beteiligten heilen und das passiert langsam, aber stetig. Ich fand sehr schön zu lesen, dass sich mit einiger Arbeit die Beziehungen wieder in ein gesündere Richtung bewegt haben.
Mehr, als man denkt
Die Handlung ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Teil eins ist vergleichsweise ruhig, das Buch spielt eigentlich nur in dem Sanatorium, wo viel vom Alltag beschrieben wird. Dafür ist es emotional aufwühlend, weil die Frage in den Raum gestellt wird, wie viel Thea tatsächlich von ihrem täglichen Leben mitbekommt und behalten kann – ob die Diagnose wirklich zu hundert Prozent richtig ist und ob Thea ein menschenwürdiges Leben führt, wenn man sie nur so beschäftigt, dass sie sich nicht „aufregt“ – also eher stumpfe Beschäftigungen, die einen gesunden Menschen schnell langweilen würden.
Mit Teil zwei und drei hat das Buch eine Wendung genommen, die ich nicht erwartet habe und wo ich mir nicht sicher bin, ob es mir gefällt. Es passiert einfach sehr viel mehr, als der Klappentext vermuten lässt, Thea bekommt eine neue Chance auf Leben, die sie auch ergreift und dabei sehr selbstzerstörerisch vorgeht. Typisch für ein Emma Scott Buch ist natürlich, dass nichts so einfach ist, wie es scheint und die Figuren hier viele Rückschläge einstecken müssen. Auch die Liebesgeschichte fand ich teilweise schwierig, weil es von Null auf 100 geht und ich ein bisschen mehr Ruhe erwartet hatte. Die Liebesgeschichte lief teilweise fast zu einfach ab, balancierte auf der Grenze zu Kitsch und Klischee. Da hätte ich auch drauf verzichten können und wäre vollauf zufrieden mit einer tragisch-bittersüßen Geschichte über die Verletzung gewesen.
Fazit
Emma Scott erzähl eine Geschichte über Lebenswillen und Überleben, die alle Register zieht, wenn es um Emotionen geht. Eine Geschichte mit vielen Hochs und Tiefs über Menschen die durcheinander wieder Kraft fürs Leben finden.
übersetzt von: Inka Marter • Verlag: LYX • Seiten: 462 • Format: Paperback, eBook, Hörbuch • Preis: 14,00€ (PB); 9,99€ (ePub), 13,99€ (Hörbuch-Download) • Erscheinungstermin: 29. Januar 2021 • Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an die Bloggerjury und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
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