Dieses Buch hat mich durch seinen spannenden Klappentext, den ungewöhnlichen Handlungsgegenstand und Handlungsort angesprochen. Das Voynich-Manuskript, Alchemisten und Rom, das klang in meinen Ohren nach einer wahnsinnig genialen Geschichte. Dazu kam noch all das Lob, dass ich zu Kira Licht gehört habe und ich war hyped auf dieses Buch.
Zum Inhalt
Wenn die 17-jährige Emilia eines liebt, dann sind es Rätsel. Als sie bei einem Museumsbesuch das sagenumwobene Voynich-Manuskript lesen kann, spürt sie, dass sie einem unglaublichen Mysterium auf der Spur ist – denn das Dokument gilt als eines der größten, nie entschlüsselten Geheimnisse der Menschheit. Dann trifft sie auf den attraktiven, aber sehr verschlossenen Goldalchemisten Ben, und die Ereignisse überschlagen sich: Emilia ist eine Nachfahrin des uralten Silberordens! Schnell gerät sie ins Kreuzfeuer rivalisierender Geheimlogen, und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …
Ein holpriger Start
Dieses Buch hat es mir sehr schwer gemacht – von den Figuren her, den Themen, der Handlung. Wenn ich an Kaleidra denke, dann denke ich an ein großes Chaos an den schlimmsten Stereotypen, die Jugendbücher in den letzten zehn Jahren ertragen mussten.
In dem Auftakt der Trilogie geht es um Emilia, die in eine Welt voller Magie und Regeln stolpert und eine scheinbar wichtige Rolle darin spielt. Es geht um Alchemie, den Stein der Weisen, Geheimgesellschaften und eine verbotene Liebe – klingt eigentlich ganz gut. Was aber nicht gut war, war die Ausführung. Ich konnte von diesem Buch nicht mal 20 Seiten lesen, ehe ich genug von den Figuren oder den Klischees hatte.
Emilia ist die Protagonistin des Buches und sie hat keine Ahnung von der Welt der Alchemisten und wird hinein geschubst. Dieses Konzept an sich – einen unerfahrenen Charakter in eine neue Welt einführen – finde ich sehr schwierig umzusetzen. Gerade, wenn es eine scheinbar so komplexe Welt wie die der Alchemisten ist. Die Alchemisten sind eine Geheimloge, die schon seit Jahrhunderten auf der ganzen Welt operiert, sie unterteilt sich in drei einzelne Logen: Die Goldloge, die Silberloge und die Quecksilberloge. Alle drei Logen müssen zusammenarbeiten um eine große alchemistische Kraft freizusetzen, das Wasser des Lebens. Nur sind die Logen untereinander verfeindet, die Quecksilberloge hat sich von den Zielen der anderen beiden Logen entfernt und strebt etwas eigenes, gefährliches an. In diese Welt kommt nun Emilia und es wird ihr nicht leicht gemacht.
Konstante Frustration
Es sind keine zwei Seiten in diesem Buch vergangen, wo ich nicht meinen Textmarker gezückt habe und etwas markiert – und es war selten etwas Gutes. Ich kann gar nicht an dieses Buch denken und nicht an all die Stereotypen und Klischees, an den Sexismus, das Gaslighting, die Isolation. Alles fällt hinter diese Punkte zurück, weil sie so prominent waren, so sehr jede Szene dominiert haben, dass ich euch eher erzählen kann, wie furchtbar Emilia behandelt wird, denn was wirklich passiert ist.
Das Buch hatte bereits keinen guten Start, weil der Prolog einen nur hoffnungslos verwirrt zurücklässt und Emilia gleich in das ganze Geschehen hereingezogen. Sie kann bei einem Museumsbesuch das Voynich-Manuskript lesen, ein Manuskript, das in keiner bekannten Sprache geschrieben ist und seit Jahrhunderten Rätsel aufgibt. Emilia kann es plötzlich lesen und prompt steht – wie aus dem Boden gewachsen – ein Typ vor ihr, der auf sehr gruselige Art kommuniziert, dass die beiden miteinander reden müssen und sie bitte doch sang- und klanglos mit ihm mitkommen soll. Durch diesen Typen – Ben – erfährt Emilia also von der Welt der Alchemisten und das sie Teil dieser Welt ist. Ich finde diese besondere Herangehensweise – einen unerfahrenen Charakter in eine neue Welt zu werfen – als allgemein sehr schwierig zu handhaben, weil es fast nie glaubwürdig vonstatten geht. Emilia ist einen Großteil der Zeit, wo Ben ihr versucht zu verklickern, das sie mit ihm kommen muss, davon überzeugt, dass ihr Freund einen Youtube-Prank an ihr abzieht. Das hat für mich einfach gar nicht funktioniert, denn auch, wenn Youtube heute etwas alltägliches ist, hat das für mich die Illusion des Buches gebrochen. Ich konnte die Magie und Geheimlogen einfach nicht Ernst nehmen, während Emilia immer nach versteckten Kameras gesucht hat.
Zusätzlich dazu kommt die Tatsache, dass Ben sich gar nicht wirklich Mühe gegeben hat, Emilia etwas zu erklären. Er ist das Buch über ihr Ansprechpartner und – Überraschung! – das Love-Interest. Mag man ihm seine Grummeligkeit zu Beginn noch verzeihen, wird das zunehmend schwieriger, wenn er Emilia immer wieder klein redet, sie als dumm und hilflos darstellt, ihr aber einfach nichts erklärt. Was Ben dort macht nennt man Gaslighting – er sorgt dafür, dass Emilia Stück für Stück ihre eigene Wahrnehmung der Realität in Frage stellt. Das mag mit einer neuen verborgenen Realität irgendwo passieren, aber nicht auf dem Level, wie Ben das betrieben hat. Zusätzlich wird es für Emilie normal, dass Ben einfach in ihre privaten Räume eindringt, wie es ihm lustig ist und irgendwann stellt sie das gar nicht mehr in Frage. Das ist GRUSELIG, habe ich gesagt! Es widert mich an, zu wissen, dass Jugendliche dieses Buch lesen werden und denken dieses Verhalten wäre normal und wünschenswert.
Problematisch in 3, 2, 1 …
Zu dem ganzen Gaslighting kommt dazu, dass die Loge Emilia komplett von ihrem Umfeld isoliert. Sie darf ihren besten Freunden nichts verraten, ihrer Mutter nicht, soll ihren Hobbies nicht nachgehen, stattdessen bekommt sie eine gut ausgetüftelte Tarnung in die Hand, die es völlig normalisiert, wenn sie mehrere Tage am Stück verschwindet. Und all diese Zeit verbringt sie in der Loge, mit Menschen die über ihren Kopf hinweg entscheiden und sie Gefahren aussetzen, über die sie sich nicht im Klaren ist. Emilia wird nur das Nötigste erklärt und wenn sie einmal nachfragt, wird ihr gleich Inkompetenz und Dummheit vorgeworfen. Wie oft ich dieses Buch zerreißen und an die Wand werfen wollte, könnt ihr euch nicht vorstellen. Ich verstehe, dass eine gewisse Geheimhaltung den Reiz dieser Welt ausmacht, aber das ging mir ehrlich zu weit. Jede:r andere Held:in des Genres, hatte wenigstens eine Person, der sie sich anvertrauen konnte, eine:n beste:n Freund:in (Clary & Simon, Gwendolyn & Leslie, Rose & Lissa ect.), aber Emilia wird komplett allein gelassen.
Aber es geht ja noch weiter, denn dieses Buch ist unglaublich aufgeladen an Sexismus und sexistischen Untertönen. Wann immer Emilia mit einem Vertreter des männlichen Geschlechts zu tun hatte, wurde sie auf ihr Geschlecht reduziert und sexualisiert (wie oft irgendjemand sie küssen wollte oder sie übers Küssen nachgedacht hat, argh!), es wurde immer von oben herab mit ihr gesprochen und sie ließ das größtenteils mit sich geschehen. Es gab nicht ein Gespräch auf Augenhöhe mit den Alchemisten in diesem Buch und das waren die einzigen Menschen mit denen Emilia zu tun hatte. Das Buch ging sogar so weit, eine Art magisches Slutshaming einzuführen, wo mir vollends die Pumpe gegangen ist. *kleiner Spoiler* Es funktioniert nämlich so, dass, wenn zwei Alchemisten unterschiedlicher Logen sich sexuell berühren, das ihre Magie schwächt. Wenn die Berührung „unschuldiger Natur“ ist, dann entzieht das weit weniger Magie. *Spoiler vorbei*
Emilia ist durch ihre fehlende Initiative als Hauptfigur sehr hinter den anderen (Neben-)Figuren zurückgeblieben. Sie hat selten für sich eingestanden und ihren Charakter kann ich nicht wirklich greifen. Es wirkte auf mich mehr, als wäre sie das Accessoire, um die Nebenfiguren herauszuheben und nicht als wäre das ihre Geschichte. Wann immer Emilia etwas Neues über die Alchemisten lernt, nimmt sie das auf und dann kommt nichts mehr. Sie macht sich nicht sonderlich viele Gedanken darum, wie diese Welt funktioniert, sie nimmt es einfach hin und das passt für mich gar nicht in ihre scheinbare Vorliebe für Rätsel. Denn Rätsel sind wirklich alles, was sie hier vorgesetzt bekommt.
Weltenbau
Den Weltenbau fand ich tatsächlich teilweise sehr spannend. Die einzelnen Logen und ihr Einfluss, die Rollen in den Logen selber und wie sie besetzt wurden, die Politik dahinter, das alles, fand ich sehr spannend. Die Feindschaft zwischen Gold-, Silber- und Quecksilberalchemisten kam mir sehr einfallslos vor (Macht! Geld! Weltherrschaft!), es wurde ein sehr klares Schwarz-Weiß-Bild von den Guten und Bösen gezeichnet. Die Kräfte, die die einzelnen Alchemisten hatten, waren dennoch sehr cool, jede:r Alchemist:in hat ein spezielles Element, das auch sehr instinktiv freigesetzt wird. Dennoch gab es kleine Details in diesem Weltenbau die mir einfach quer im Hals saßen und leider wurden gerade diese Elemente so aufgeblasen, das ich sie schlecht ignorieren kann.
Eine letzte Sache noch in diesem Rant: Mich hat an der Magie besonders gestört, dass alles, was Emilia besonders gemacht hat – ihre Liebe für Rätsel, ihre Begabung für Mathematik, ihre Neugier – das alles wurde alles mit ihrer Abstammung von Alchemisten und der ihr eigenen Magie gerechtfertigt. Wenn man Emilia die Magie weggenommen hätte, wäre sie ein wahnsinnig langweiliger Mensch gewesen und es ärgert mich unglaublich, das alles, was sie besonders gemacht hat, damit nichtig wurde. Ich möchte einfach gerne mal eine Heldin haben, die beispielsweise Mathe gerne mag, weil es nun mal so ist und nicht, weil ein altes, magisches Erbe ihr das in die Schuhe schiebt.
Fazit
Alles in allem war dieses Buch einfach gar nicht nach meinem Geschmack. Ich fand den Weltenbau grundsätzlich spannend, aber die Details haben für mich sehr viel kaputt gemacht. Zusätzlich die Figuren, die mir nicht ein kleines bisschen sympathisch werden konnten und eine Handlung, die mehr als frustrierend war, war das für mich eine rundherum frustrierende Leseerfahrung.
Kaleidra: Wer das Dunkel ruft
Verlag: ONE • Seiten: 560 • Format: Hardcover, eBook, Hörbuch • Preis: 17,00€€ (HC); 6,99€ (ePub); 19,99€ (Audio Download) • Erscheinungstermin: 30. Oktober 2020 • Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an die Bloggerjury und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
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