Dieses Buch liegt seit mehr als einem Jahr auf meinem SuB herum und das ist traurig. Ich habe bisher ein anderes Buch von der Autorin gelesen, Das dunkle Herz des Waldes, was ich toll fand. Nicht unbedingt leicht zu lesen, aber sehr gut gemacht. Bereits mehrmals schlug ich nun dieses Buch auf, begann zu lesen und legte es dann für ein anderes beiseite, was nicht wirklich ein gutes Zeichen ist. Vom Rezept her sollte auch Das kalte Reich des Silbers genau meine Ding sein, weil ich Neuerzählung spannend finde und Naomi Novik mich mit ihren Schreibstil schon früher überzeugt hat. Aus verschiedenen Gründen hat das nicht hingehauen und welche genau das sind, erfahrt ihr in meiner Abbruchrezension.
Zum Inhalt
Mirjem ist die Tochter eines gutherzigen Pfandleihers, der es nicht über sich bringt, Schulden einzutreiben. Als die Familie deshalb bittere Armut leidet, tritt Mirjem an die Stelle ihres Vaters. Unnachgiebig fordert sie zurück, was ihr zusteht. Sie ist erfolgreich, und bald heißt es, sie könne Silber zu Gold machen. Die Kunde davon dringt bis tief in die Wälder, zum gefürchteten Volk der Staryk – magische Wesen, die mehr aus Eis bestehen als aus Fleisch und Blut. Der König der Staryk entführt sie in sein Reich. Dort soll sie für ihn Silber zu Gold machen. Tut sie das nicht, wird der Staryk sie töten. Doch gleichzeitig versinkt die Menschheit nun in Kälte …
Verwirrende Erzählperspektiven
Eine Sache, die mir, bevor ich zu lesen begann, bewusst war, aber dennoch in der Praxis nicht gut funktionierte: Die verschiedenen Erzählerinnen. An sich habe ich nichts gegen mehrere Erzähler allgemein, aber hier wurde die neue Erzählerin, denn es waren alle weibliche Erzählerinnen, nicht angekündigt. Man merkte erst nach einigen Sätzen und manchmal sogar erst nach Seiten, wer jetzt erzählt, bis Seite zweihundert hat man zwischen drei jungen Frauen hin- und her gewechselt. Es gab keine erkennbare Regelung, wer wann erzählt, sodass ich immer ein paar Zeilen im Dunkeln tappte. Dasselbe kann ich übrigens auch über die Zeit und den Zeitverlauf sagen, ich bekam kein wirkliches Gefühl für den wirtschaftlichen Standart und wie die Zeit verstrich, es war sehr unpräzise geschrieben, was einerseits die magische Atmosphäre der Neuerzählung eines Märchens betonte, mich als Leserin aber gleichzeitig sehr anstrengte.
Mirjem ist die Erzählerin, die man als erstes kennenlernt und sie hat maßgeblich Anteil am Schicksal der anderen beiden Erzählerinnen, Wanda und Irinia. Mirjem ist die Tochter eines zu lieben Pfandleihers und als ihre Familie in Armut zu versinken droht, nimmt sie die harte Arbeit selbst in die Hand und erweist sich als gnadenlose Pfandleiherin. Sie bringt ihrer Familie zwar den Wohlstand zurück, aber ihre Eltern und auch das Dorf sehen die Veränderungen in ihrem Wesen nicht gerne, weil Mirjem selbst hart und kalt wird. Damit ruft sie auch die Aufmerksamkeit der Staryk auf sich, magische Wesen, die seither neben den Menschen existiert haben, aber für ihre Grausamkeit und Liebe zum Gold bekannt sind. Mirjem wird zu einem Geschäft mit einem Staryk gezwungen, um ihre Familie zu schützen.
Wanda ist eine junge Frau, die zusammen mit ihren Brüdern unter einem gewalttätigen Vater leidet, der mit Geld nicht umgehen kann. Sie beginnt für Mirjem zu arbeiten – kleine Aufgaben in Haus und Hof – und lernt von Mirjem deren Handwerk, wodurch sie auch lesen und schreiben lernt. So kann das Geschäft von Mirjems Eltern auch erhalten werden, als Mirjem entführt wird.
Irina kommt ins Spiel, als Mirjem für den Staryk dessen Silber in Gold verwandeln muss und das Silber als Schmuckstücke in Irinas Besitz endet. Das Silber selbst birgt eine überzeugende Magie, die Irina die Heirat mit dem Zar sichert. Allerdings hat der Zar selbst eine unheimliche Verbindung zur Magie und Irina fühlt sich davon bedroht.
Mythologie & Ton
Was ich bisher an der Autorin bewunderte – und was auch dieses Buch nicht ändern kann – ist, wie toll sie nicht-westliche Märchen und Mythen verarbeitet. Genau wie Das dunkle Herz des Waldes spielt auch dieses Buch mit östlichen Mythen und Märchen, Märchen, die weniger bekannt sind und gerade unter Naomi Noviks Feder einen gnadenlosen Zug annehmen. Magie ist in diesem Buch nichts, dass den Protagonistinnen groß hilft, die Schuld, die sie für das Anwenden von Magie zahlen, wirkte immer höher als die geleistete Magie selbst. Wenn es einen Weg gab, es den Protagonistinnen heim zu zahlen, dann hat die Magie ihn gefunden. Die romantische Vorstellung, das guten Menschen Gutes widerfährt und Magie dabei hilft, ist hier nicht existent – zumindest nicht in den ersten 200 Seiten. Wenn die Protagonistinnen wollen, dass ihnen etwas Gutes widerfährt – was immer das in ihren Augen sein mag – dann mussten sie sich selbst darum kümmern, eine Tatsache, die ich sehr begrüßt habe.
Ein Kleinigkeit, die mir aber besonders im Gedächtnis geblieben ist und mich immer mal wieder aus der Welt des Buches gerissen hat, war die Erwähnung von Religion. Ich ging an das Buch mit den Erwartungen eines High Fantasy Romans heran, was soweit auch stimmte, aber immer mal wieder wurde erwähnt, dass Mirjem Jüdin ist. Ich habe bisher noch keinen Fantasyroman gelesen, wo eine Religion aus „unserer“ Welt Erwähnung fand und das hat für mich die Illusion der Fantasywelt aufgelöst. Allerdings fand ich die Idee und auch Umsetzung eigentlich sehr spannend, weil sehr offen über die Vorurteile gegenüber Juden geschrieben wird und auch in dieser fantastischen Welt Anti-Semitismus ein Thema war. Diese Verschränkung von High Fantasy und realen Problemen war ungewohnt, worin ich auch mein einziges problem sehe – ich kenne es nicht -, aber ich fände es toll, wenn auch in Zukunft Fantasy diese Verantwortung und Repräsentation betreiben würde und sich nicht hinter „das ist eben Fantasy“ verstecken würde.
Was mich aber am Nachhaltigsten im Buch beeinflusst hat, war der Ton. Die Protagonistinnen leben alle ein schweres Leben, das auf eine gewisse Art trostlos ist und das Gute, das ihnen zu widerfahren scheint, zerfällt allzu schnell und mit bestürzenden Folgen zwischen ihren Händen. Über allem gelesenen hing eine Aura der Hoffnungslosigkeit und für die war ich sehr anfällig. Es fiel mir sehr schwer das Buch zu lesen und es erneut aufzuschlagen, ich hatte wenig Hoffnung Ruhe und Entspannung im Buch zu finden. Im Vergleich zu Das dunkle Herz des Waldes, wo die Hauptperson die ähnliche Stimmung und ungerechten Vorfälle durch ihren Charakter ausgeglichen hat, fehlte mir das hier. Obwohl die Handling nach rund 200 Seiten an Fahrt aufnahm, fühlte ich mich in dem Buch einfach nicht wohl und habe es schlussendlich abgebrochen.
Fazit
Naomi Noviks unvergleichliche Art zu erzählen und ihre Begabung Märchen aufzuarbeiten, haben mich zwar fasziniert, aber in der Leseerfahrung selber hat das Buch mich emotional zu sehr mitgenommen, um es entspannt lesen zu können.
Das kalte Reich des Silbers
übersetzt von: Marianne Schmidt • Verlag: cbj • Seiten: 576 • Format: Gebunden mit Schutzumschlag, Taschenbuch, eBook • Preis: 18,00€ (GB); 10,00€ (TB); 11,99€ (ePub) • Erscheinungstermin: 04. März 2019 • Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag und das Bloggerportal für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
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