Ich hatte die Hoffnung auf ein gutes Urban Fantasy Buch in 2019 schon aufgegeben, als Ende des Jahres dieses bunte Büchlein erschien. Ich verfolge die Autorin seit einer Weile auf Instagram und da kam sie mir so sympathisch vor, dass ich endlich mal was von ihr lesen wollte. Ich hatte so viel Positives über sie gelesen, dass ich es mit ihrem Jugendbuch versuchen wollte, obwohl mich das Genre in letzter Zeit eher enttäuscht hat.
Zum Inhalt
Kit hat in London Schreckliches erlebt und hofft in Edinburgh neu anfangen zu können. Als Teil der Alias-Einheit hat sie es sich zu ihrer Aufgabe gemacht Menschen zu beschützen und abtrünnige Alias einzufangen. Als sich in Edinburgh allerdings die Mordfälle um Kit häufen, wird nicht nur sie skeptisch, sondern auch der mächtige Todesdaimon Nakir. Eine Spurensuche und Hexenjagd beginnt, die Edinburgh in Schutt und Asche legen könnte.
Ein Weltenbau zum Dahinschmelzen
Wenn ich an dieses Buch denke, denke ich zuerst an die Kombination aus Fantasy und Krimi, die mir so gefallen hat. Schatten der Ewigkeit war die perfekte Mischung aus Spannung, detailliertem Weltenbau und tollen Figuren. Das Buch hat mich echt überrascht, nicht nur, weil es mir einen Trope schmackhaft machen konnte, den ich vorher immer verabscheut habe, sondern auch wegen kleiner Details, wie das Alter der Hauptfigur. Diese ist nämlich 25 Jahre alt und nicht 17 oder 18, sie hat also eine gewisse Lebenserfahrung, was ich in Kombination mit den Umständen des Buches sehr viel realistischer finde.
Auf der anderen Seite hasste sie nichts mehr, als wenn man sie bemutterte und sich um sie kümmerte. Es gab ihr das Gefühl, schwach zu sein. Nichts allein auf die Reihe zu bekommen.
S. 133
Die Hauptperson ist Kit Sune, eine Fuchsgestaltwandlerin, was auch ihren Namen erklärt, weil Kitsune japanische Fuchsgeister sind. Ich kannte diese mythologischen Wesen bisher nur aus Teen Wolf und freute mich noch eine weitere Interpretation dazu zu lesen. Kits Fuchs ist auch etwas Besonderes, weil er bei ihr immer in Schreckmomenten hervorkommt, er ist wie ein Abwehrmechanismus, was Kit natürlich weniger prickelnd findet. Mich hat dabei beeindruckt, dass auf Details wie die Farbwahrnehmung des Fuchses, Gehör und Geschmacksnerven – Kits Fuchs mag keine bitteren Noten – geachtet wurde. Es sind diese kleinen Details, die für mich ein Buch rund machen, wenn man das Gefühl hat, der/die Autor*in hat sich wirklich viele Gedanken gemacht und umgesetzt.
Die Welt um Kit herum ist unglaublich vielschichtig, weil jegliche Mythologien nebeneinander existieren und so die unterschiedlichen Alias zustande kommen. Alias bezeichnet ein Wesen, dass aus der Mythologie abstammt, dabei können slawische Liebesgöttinnen und japanische Fuchsgeister eben zusammen existieren. Eine weitere Besonderheit der Welt ist die Reinkarnation – jede Seele wird wiedergeboren. Alias sind die mit den magischen Kräften und Hintergründen, während Menschen davon meist nichts wissen und sich auch nicht bewusst sind, dass ihre Seele wiedergeboren wurde. Dabei unterscheidet man auch in sehr alte Seelen, die von den Nox – Seelenfressern – besonders stark gejagt werden. Nox kommen aus einer anderen Dimension und machen jagt auf Seelen, Alias Agenten sollen dies verhindern und die Nox beseitigen. Es gehört noch eine Menge mehr dazu, aber ich will ja nicht den ganzen Weltenbau vorweg nehmen.
Die Figuren
Kit ist die weibliche Hauptperson, aus ihrer Perspektive wird erzählt und zwar im Handlungsstrang der Gegenwart. Kit ist zu Beginn des Buches gerade in Edinburgh angekommen, sechs Wochen nachdem sie ihren Partner in einem verheerenden Unfall verloren hat. Sie kämpft sehr mit diesem Verlust, hat Selbstzweifel. Ihre Tante Phelia leitet die Alias-Zentrale in Edinburgh und bietet ihr einen Neustart an. Kit bekommt einen neuen Partner und will sich in ihre Arbeit stürzen, als sich die Angriffe und brutalen Morde in ihrer Nähe häufen.
Nakir ist die männliche Stimme im Roman und er erzählt zu Beginn aus der Vergangenheit, denn er untersucht den Vorfall, bei dem Kits Partner starb und nimmt Kit stark ins Visier. Nakir ist ein Todesdaimon, er kann beispielsweise die letzten Minuten eines Verstorbenen sehen, wenn er will, dabei setzt er aber auch eine tödliche Kälte frei, weshalb er seine Gabe nicht oft nutzt.
Ich fand das zeitliche Hin und Her sehr spannend, weil Kit selber die Geschehnisse verdrängt und lieber nach vorne blicken will, Nakir aber hat einen Verdacht und verfolgt Kit hartnäckig. Durch diese Erzählweise wurde die Spannung aufrecht erhalten und ich fieberte dem Moment des ersten Aufeinandertreffens entgegen – was sich, nebenbei, sehr gelohnt hat.
„Was tust du hier?“ – „Schauen, ob du noch lebst.“ – „Und?“ – „Sieht gut aus. Zumindest oberflächlich betrachtet.“
S. 189
Andere Figuren wie Kits Freundin Lelja und der Alias Agent Keegan runden das Team ab und eine Sache, die mir richtig gefallen hat, war wie langsam sich das Vertrauen aufbaute, beziehungsweise, wie lange die Figuren einander misstrauisch waren. Es gab immer eine unterschwellige Spannung, was ich in Anbetracht der Umstände der Alias sehr realistisch fand. Das Buch hat zwar auch seine ruhigen Momente, aber es wurde nie langweilig.
Der Schreibstil
Ich hatte lange kein Buch mehr vor der Nase, dessen Schreibstil so wunderbar deutsch war. Ich finde, dass Autor*innen heute sich mehr bemühen einen sauberen, klinischen Stil zu haben, selten lese ich Worte wie Flurfunk oder Schwanzvergleich, dabei hat die deutsche Sprache so viele wunderbare Wörter. Der Schreibstil von Carolin Wahl war ausdrucksstark und hat mich nur so durch die Seiten fliegen lassen, ich fand, dass Situation sehr treffend beschrieben wurden, ich habe mir nicht einmal gewünscht, dass etwas näher beschrieben worden wäre. Außerdem war es witzig. Die Situationskomik war auf den Punkt gebracht und der trockene Humor war genau mein Ding, ich habe mir viele schöne Stellen angestrichen.
„Wenn was sein sollte, du weißt, wie du mich erreichen kannst“, sagte Keegan und ließ sich unsanft von Lelja durch die Tür schieben. Es sah so aus, als ob ein Hamster einen Schrank verrückte.
S. 258
Ich habe an diesem Buch fast nichts auszusetzen – außer am Ende. Es ging mir zu fix. Zu viele Fragen wurden offen gelassen, aber das hat einen Grund. Vom Verlag wurde noch kein zweiter Band eingeplant, aber die Autorin hält sich mit dem etwas knappen Ende diese Option offen. Jetzt liegt es an uns Lesern, ob wir einen Band Zwei kriegen, ich jedenfalls hätte richtig Bock darauf mehr von den Alias und Kit und Nakir zu lesen.
Fazit
Carolin Wahls Urban Fantasy Roman überzeugt in vielen Punkten, allem voran, der Weltenbau. Er ist umfassend, detailliert, vielseitig. Kurzum: Genau das, was ich mir von einem Buch des Genres erhoffe. Dazu noch spannende Figuren und eine noch spannendere – und schonungslose – Handlung – Tadaaa! Das perfekte Jugendbuch. Große Empfehlung meinerseits.
Schatten der Ewigkeit: Zwillingsblut
Verlag: Knaur・Seiten: 378・Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook・Preis: 12,99€ (TB); 9,99€ (ePub)・Erscheinungstermin: 02. Dezember 2019・Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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