Auf meinem Blog gibt es bereits eine andere, weniger aussagekräftige Rezension zu einem Graßhoff-Buch, was daran liegt, dass ich die Entdeckungsreise des Buches nicht zerstören wollte. Seit ich 2017 Die Schöpfer der Wolken gelesen habe, folge ich Marie auf sämtlichen Social Media Kanälen und habe von Anfang an die Entstehung von Neon Birds beobachtet und bin deswegen sehr gehyped in das Buch gegangen. Ich lese einfach viel zu wenig Science Fiction, dafür, dass ich es als eins meiner liebsten Genre betrachte. Warum ihr Neon Birds auf jeden Fall eine Chance geben solltet, könnt ihr jetzt in meiner Rezension lesen.
Zum Inhalt
Die Welt im Jahr 2101 ist eine andere, seit die KI Kami außer Kontrolle geraten ist. Versteckt hinter dicken Mauern tummeln sich die von ihr infizierten Menschen, streng bewacht und beobachtet. Aber eine KI schläft niemals und irgendwann wird sie ihrem Gefängnis entrinnen. Während die Welt vom Chaos überrannt wird, stellen nur einige wenige Personen die richtigen Fragen.
Solarpunk
Bevor ihr alle wegrennt, weil ihr mit dem Begriff nichts anfangen könnt und denkt, dass das Buch zu kompliziert ist … Haltet ein! Marie hat selber einen großartigen Blogpost zum Sub-Genre Solarpunk geschrieben, hier die Kurzfassung: Solarpunk ist eine etwas positivere Vorstellung der Zukunft. Es wird sich auf erneuerbare Energien konzentriert, die Menschheit hat sich mehr oder weniger zusammengerafft, um die Erde zu retten. Probleme, die wir aus unserem Alltag kennen, wurden in Solarpunk gelöst, es herrscht ein besseres Miteinander und Füreinander. Wer also keinen Bock auf Weltuntergangs-Stimmung hat, findet in diesem Roman eine tolle Alternative, denn ganz ehrlich? Ich finde, dass wir mehr Büchern brauchen, wo die Menschheit es geschafft hat und nicht nur gerade so vor sich hin vegetiert. Dieser Weltenbau ist natürlich mit ein paar Begriffen verbunden, aber es war nicht sonderlich schwierig zu verstehen, wie ich fand. Ich habe mich auch ohne vorher den Beitrag von Marie gelesen zu haben, in der Welt zurecht gefunden und habe sie als sehr angenehm empfunden.
Allgemein ist hier sehr subtiler Weltenbau betrieben worden, er klingt überall mit, in Gedanken, Beobachtungen, Erklärungen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu stellen. Er wirkte sehr allumfassend, fast simpel, so verankert war er im Denken der Gesellschaft und das mochte ich.
Das Nicht-Team
Die Handlung wird von vier Figuren getragen: Flover, Luke, Okijen und Andra. Sie alle sind unterschiedliche Repräsentaten der Welt, kommen aus unterschiedlichen Familien und Hintergründen, was einen guten Überblick über die Gesellschaft gibt. Die Figuren werden im Buch selber auch mit Steckbriefen vorgestellt, nach und nach erfährt man also mehr über sie. Wer seine Neugier nicht zurück halten kann, kann sich auch auf Maries Webseite oder Instagram umsehen, dort gibt es die Steckbriefe ebenfalls. Flover und Luke führen in das Buch ein, sie sind Teil des Bildungssystems und studieren in ihren jeweiligen Fachbereichen, während sie auch noch die coolste Zweier-WG bilden. Gleichzeitig sind auch sie es, die das Problem um Kami als erstes zu spüren bekommen und ihr gemeinsamer Handlungsstrang las sich wie die beste Art eines Spionagefilms. Das Buch startet sofort mit einem Knall, man wird in die Handlung geworfen und ist sofort eingenommen. Ich mag solche Anfänge sehr gerne und habe die Action und Geschwindigkeit genossen.
Andra und Okijen treffen bei einer militärischen Auseinandersetzung aufeinander und haben nicht den besten Start, was ich sehr unterhaltsam fand. Sie decken dabei das Spektrum der Gesellschaft von einem extremen Ende zum anderen ab, was gerade im Kampf gegen Kami spannend war, weil die Methoden so unterschiedlich waren. Diese vier Figuren haben irgendwie alle mal Kontakt miteinander im Buch, arbeiten aber noch nicht so als Team zusammen, wie ich das erwartet hatte. Das war überraschend schön, denn so kann man als Leser beobachten, wie sie vielleicht zu einem Team werden und ihre noch getrennten Handlungsstränge offenbaren einen besseren Blick auf das komplexe Geschehen.
Kami, der Maschinengott
Dieser KI (=künstliche Intelligenz) ist eine ziemlich krasse Sache, weil sie zwar die Gehirne der von ihr infizierte Menschen gleich schaltet, ihnen aber auch hilft das körperliche Potential auszuschöpfen, was sie zu ziemlich fiesen Gegenern macht. Dabei unterteilt man die Infizierten, Mojas, in unterschiedliche Gruppen ein, je nachdem was ihre modifizierten Fähigkeiten sind. Das kann einfach nur von besseren Sinnen zu gesteigerter Körperkraft und fast Elemente-Bändiger gleichen Fähigkeiten gehen. Besonders spannend fand ich die extremistischen Gruppen, die sich um Kami gescharrt haben, sie wurde als „die Erlösung“ der Menschheit angesehen und verehrt, in ihrem Namen wurden Anschläge verübt und ähnlich kriminelles, dabei waren die Anhänger nicht infiziert. Es ist immer wieder interessant zu lesen, wie fiktive Bedrohungen Hand in Hand mit Extremisten und/oder Religion gehen.
Wenn Intelligenz der Maßstab ist, bin ich nicht dann mehr Mensch als sie? Und wenn Güte der Maßstab ist, sind dann Tiere nicht die besseren Lebewesen?
aus Interlog: Whispering
Die philosophischen Fragen, die während des Lesens gestellt werden und auch beim Leser ankommen waren zusätzlich ein Highlight. Ich liebe es, wenn Figuren sich vor einem größeren Bild reflektieren und gerade jetzt, in unserer Welt die geprägt ist durch den Klimawandel, fand ich ein Buch, dass den Zeitgeist aufgreift, Lösungen und auch Fragen bietet, wunderbar.
Der Schreibstil
Ich muss sagen, dass ich etwas anderes vom Schreibstil des Buches erwartet habe. Die Schöpfer waren so malerisch und verworren, so wortgewaltig und verträumt, das ich fest davon ausgegangen bin, das wäre der normale Schreibstil der Autorin. Neon Birds ist um einiges kühler geschrieben, sehr prägnant und kurz. Im ersten Moment fehlten mir die Emotionen, aber dann entfaltete sich das Tempo und ich war hin und weg. Das Buch ist so schon recht lang, ein ausufernder Stil hätte es wohl unnötig gestreckt und so konnte die Autorin konstant die Spannung und das Tempo halten. Eigentlich hatte ich gar keine andere Chance als das Buch zu inhalieren.
Fazit
Neon Birds überzeugt mit unglaublichem Tempo und Spannung, einer Welt, die unserer gar nicht so unähnlich ist, aber doch so anders. Gespickt mit Steckbriefen, militärischen Aufzeichnungen und Zeichnungen der Charaktere ist das Buch visuell abwechslungsreich und regt die kleinen Verschwörungstheorien noch mehr an.
Neon Birds
Verlag: Luebbe・Seiten: 464・Format: Taschenbuch, eBook, Hörbuch・Preis: 15,00€ (TB); 11,99€ (ePub); 16,99€ (Audio)・Erscheinungstermin: 27. November 2019 ・Link zur Verlagsseite
*Danke an den Verlag und NetGalley für die Bereitstellung eines digitalen Rezensionsexemplares.
*Print-Exemplar ist selbst gekauft.
[…] Eine Rezension gibt es bereits, ich möchte aber auch hier nochmal kurz schreiben, dass ich das Buch sehr gut fand. Es hat mich nicht ganz so aus den Socken gehauen wie alle anderen scheinbar, aber das finde ich nicht schlimm. Neon Birds war gut strukturiert, hat tolle Figuren und einen interessanten Plot. […]