Ich hatte ja schon mal eine kleine Zusammenfassung zur Reihenfolge der Realms of the Elderling Welt gegeben und darf nun den ersten Band der Seelenschiff-Trilogie vorstellen. Diese spielt zwischen der ersten und zweiten Trilogie um Fitz und die Weitseher und erkundet die Welt weiter Südlich, rund um Bingstadt. Ich habe verhältnismäßig lange gebraucht, um dieses Buch zu lesen, was ich zu einem großen Teil auf das Format schiebe. Ich lese zwar gerne auf meinem Kindle, aber gerade lange Bücher finde ich dort anstrengender, weil ich mit den Prozentangaben nicht viel anfangen kann. Ich bin jemand der einfach gerne die bereits gelesenen Seiten sieht. Nach über einem Monat Lesezeit bin ich nun fertig und noch nicht sicher, ob ich mich den Lobpreisungen zu Hobbs bester Trilogie anschließen kann, denn ein paar Problemchen hatte ich doch.
Zum Imhalt
Althea Vestrit hat ihr Leben als Seemann auf dem Familienschiff Viviace schon fest geplant, als ihr Vater stirbt und es überraschenderweise an Altheas ältere Schwester vererbt. Deren Mann Kyle wird der neue Kapitän und holt lieber seinen Sohn aus der Priesterlehre, als Althea mit an Bord zu nehmen. Jeglicher Perspektive beraubt macht Althea sich auf einem anderem Schiff auf den Weg und lässt ihre Familie hinter sich. Gleichzeitig plant ein Pirat mit ein bisschen übernatürlichem Glück der König aller Piraten zu werden, wozu er seiner Meinung nach ein Seelenschiff braucht. Aber mehr als nur Schiffe und Piraten bevölkern die Gewässer rund um Bingstadt …
Eine Welt, ganz anders, als erwartet
Das coolstes und gleichzeitig komplizierteste Element dieses Buches sind die Seelenschiffe. Seelenschiffe werden aus einem bestimmten magischen Holz gemacht, Hexenholz, das besonders robust ist und das unter bestimmten Umständen eine Persönlichkeit entwickeln kann. In Schiffsform sieht das so aus, dass drei seefahrende Generationen derselben Familie an Bord sterben müssen, damit das Schiff „erwachen“ kann. Klingt irgendwie nekromantisch, ist es aber gar nicht. Die Familienmitglieder müssen nicht gewaltsam sterben, sondern einfach am Ende ihres Lebens an Bord gebracht werden, damit ihre Erinnerungen und Erfahrungen auf das Schiff übertragen werden können. So bleibt gleichzeitig ein Teil der Verstorbenen im Schiff erhalten. Seelenschiffe können, einmal erwacht, mit der Mannschaft kommunizieren und die Seereise besser lenken, weil sie Felsen, Untiefen und Windveränderungen eher spüren und entsprechend segeln können. Es sollte auch immer ein Familienmitglied an Bord sein, weil zwischen ihm und dem Schiff eine ganz besondere, tiefgreifende, emotionale Verbindung besteht, die nötig ist, damit das Schiff nicht verrückt wird. Wie das aussehen kann, erfährt man im Buch übrigens auch. Seelenschiffe können sich nämlich auch gegen ihre Mannschaft wenden und das Segeln erschweren oder sogar die Mannschaft töten. Hierbei hat mir besonders gefallen, dass der Weltenbau so meisterhaft eingepflegt wurde, das man zwischen den Zeilen lesen konnte, warum das Schiff verrückt geworden ist.
Das war das Besondere am Hexenholz. Es war undurchlässig für die Angriffe des Meeres. Es war gleichzeitig Schönheit und ewige Verdammnis.
Kapitel 9
Seelenschiffe werden von zwei Familien erbaut. Einmal eine Händlerfamilie aus Bingstadt und dann eine Familie aus der Regenwildnis, die das Holz stellen. Eine Händlerfamilie verschuldet sich meist auf Generationen, um ein Seelenschiff bauen lassen zu können, so wertvoll ist das Holz. Die Menschen der Regenwildnis sind sehr besonders, aber auch ausgegrenzt, weil die Regenwildnis – die eine eigene Buchreihe hat, leider unübersetzt – magisch und merkwürdig ist. Regenwildnisbewohner sehen nach normalen Standarts nicht sonderlich attraktiv aus, haben aber den Monopol auf magischen Gütern, die begehrt sind. Aus der Regenwildnis kommen auch die Seeschlangen, die intelligenter sind, als die Menschen ihnen zugestehen und sich mit Beginn dieses Buches auf die Reise machen, um sich an ihre Vergangenheit zu erinnern.
Figuren, wohin das Auge sieht
Neu in dieser Reihe war, dass man weit mehr als eine Hauptfigur hat. Neben den einzelnen Personen der Familie Vestrit, die Althea, deren Schwester Keffria und Mutter Ronica, Nichte Malta und Neffe Wintrow, und Schwager Kyle Haven beinhaltet, werden auch Abschnitte aus der Sicht der Seelenschiffe Viviace und Paragon erzählt, ebenso erhält ein weiterer Seefahrer Brashen Trell seine Kapitel und der Pirat Kennit. (Kleiner Hinweis: Figuren deren Name mit K beginnt sind sexistisch.) Besonders spannend waren auch Kapitel über das „Knäul“, eine Gruppe Seeschlangen, die eine sehr schlechte Reputation bei den Menschen haben.
Ihr seht, Figuren gibt es hier zuhauf, aber die Autorin hat sich alle diese Sichtweisen zunutze gemacht und auf vielen Ebenen das Geschehen abgedeckt, und mehrere Blickwinkel auf einen Konflikt gelenkt. Ich musste mich selber oft dabei ertappen nicht einfach jeden Mist, den gewisse charismatische Figuren mit scheinbar sinnvollen Argumenten vorbrachten, zu glauben. (Robin Hobb war meisterhaft darin sexistische Mikroaggressionen charmant zu verpacken.) Meine liebsten Figuren sind Althea und Paragon, die leider nicht ganz so viel Zeit in diesem Buch bekommen haben, weil ihre Geschichte noch am Anfang steht, während andere Figuren – wie Wintrow und Malta – einiges durchmachen müssen.
Ständig in der Gegenwart einer Frau zu sein war nicht gut für einen Mann.
Kapitel 22
Diese Fülle an Figuren hat auch zur Folge, das mehr als ein Handlungsstrang verfolgt wird und erneut kann ich nicht ganz fassen, wie die Autorin es geschafft hat, so viele verschiedene Konflikte in dieses Buch zu stecken. Es ist einfach wahnsinnig vielschichtig und ich bewundere, wie gut es gelungen ist, die Standpunkte einer Mutter, einer Tochter, die schnell erwachsen werden will und einer Matriarchin, die ihre Familie finanziell über Wasser halten muss, zu ein und demselben Thema abzudecken und so viele Meinungen verschiedener Generationen zu präsentieren. Dieses Buch zeigt, dass es nicht nur eine Schicht eines Konfliktes gibt und das jede Meinung gleich viel Wert haben sollte, denn wenn das nicht passiert, kann man hier lesen, was dann abgeht. Und das ist nur eine Seite der Handlung. Das Geflecht an Beziehungen und Beeinflussungen ist hier sehr dicht, aber dennoch verständlich, weil erneut jede Figur gut begründete Ziele und Sichtweisen hat und ich bin einfach nur begeistert.
Althea hatte das Gefühl, als wäre sie um ihre Würde und ihren Wert betrogen worden, weil er sein „gutes Wort“ eingelegt hatte.
Kapitel 25
Spannungshöhen und -tiefen
Mein Problem mit diesem Buch war, dass der Anfang fantastisch war und es zur Mitte hin etwas abfiel. Zu Beginn lernt man natürlich vieles über die Welt und Dinge werden ins Rollen gebracht, die sich dann über die Handlung entwickeln. Das war spannend und aufregend, ich war wie in einem Rausch. Etwas vor der Hälfte akklimatisierten sich die Dinge dann und ich fand es schwerer an die Seite gefesselt zu werden. Das lag zum Teil auch daran, dass ich wieder zu sehr in die Figuren investiert war und von Fehlern nicht lesen konnte. Der Mittelteil war zum Entwickeln da, zum Situationen evaluieren, Fehler machen und auch daraus lernen. Das war irgendwo ein harter Prozess, weil ich ungefähr sehen konnte, wohin manche Dinge führen würden. Außerdem waren zwei der härtesten Szenen enthalten, von denen ich bisher gelesen habe. Ich dachte nicht, dass ich nach meiner Grey’s Anatomy-Abhärtung bei einer Fingeramputation so mitgenommen sein könnte. Oder wie eine Platzwunde genäht wird. Zum Ende hin wurde es wieder actionreicher, lang ersehnte Zusammentreffen fanden statt und das Buch hat nochmal eine Kehrtwende hingelegt, die ich nicht erwartet habe, die aber leider so logisch zu sein scheint. Das Ende hat mich nochmal richtig mitgenommen und ich bezweifle langsam, dass die Reihe an einem friedlichen Punkt enden wird.
Manchmal haben mich auch bestimmte Wörter verwirrt, wie „Firma“. Da es sich um ein Mittelalterliches Setting handelt, hätte ich mit einem solchen Wort niemals gerechnet, obwohl die Kultur und Zivilisation um Bingstadt schon etwas fortschrittlicher sind, als Bocksburg. Gerade zu Beginn habe ich öfter mal ein Wort gehabt, das mich aus dem Lesefluss gerissen hat, ich bin mir nicht sicher ob das vielleicht an der Übersetzung liegt – weil es so wenige passende deutsche Entsprechungen gibt – oder ob die Autorin ihr Vokabular zur Reihe einfach noch finden musste.
Fazit
Der erste Band der Seelenschiff-Trilogie besticht durch eine fantastische, vielschichtige Welt, die ich so noch nicht kannte, hatte aber im Spannungsbogen seine Schwächen für mich.
Das Geheimnis der Seelenschiffe: Die Händlerin
übersetzt von: Wolfgang Thon・Verlag: Penhaligon・Seiten: 907・Format: ePub・Preis: 9,99€・Erscheinungstermin: 01. Mai 2019・Link zur Verlagsseite
*Hierbei handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Vielen Dank an den Verlag für die kostenlose Bereitstellung.
Rüger Geert meint
Guten Morgen Friederike,
Ich lese gerade den 1. Seelenschiffe Roman und finde deine Kommentare super.
Habe mich nach der Empfehlung gerichtet, zuerst nach den Fizchroniken die Romane über die Seelenschiffe zu lesen.
Leider fehlt mir eine Landkarte, die zu den Seelenschiffen passt.
Hast du so etwas schon gefunden?
Liebe Grüsse aus dem Ländle
Geert
Friederike meint
Hallo,
es freut mich sehr, wenn meine Rezension dir weiterhelfen konnte. Leider habe ich auch noch keine Karte von den Seelenschiff-Büchern gefunden, aber da die Fitz-Chroniken im amerikanischen Verlag gerade alle illustriert werden, die Bilder kann man online dann einsehen, besteht die Hoffnung, dass sie das vllt auch für die Seelenschiffe machen.
Ich wünsche dir noch viel Spaß beim Lesen!
Liebe Grüße
Friederike.