Es hat lange gedauert, bis ich den zweiten Teil der Fairwood Dilogie in die Hand nehmen konnte. Ich habe netterweise vom Verlag ein Rezensionsexemplar zugesendet bekommen, was ich immer noch nicht so ganz fassen kann. Darum soll es aber gar nicht gehen, sondern darum, dass ich es wirklich schwer fand in dieses Buch rein zu finden. Nicht weil es schlecht geschrieben war, sondern weil mein Kopf vom Ende von Falling Fast noch sehr mitgenommen war und lauter Horror-Szenarien zum weiteren Verlauf gesponnen hat, die mich davon abhielten, das Buch tatsächlich anzufangen.
Bevor ich aber wirklich loslege, muss ich noch einen kurze S p o i l e r -Warnung einbauen. Wer Falling Fast nicht gelesen hat, sollte gar nicht weiterlesen, weil ich so ziemlich den ganzen Sinn des Buches spoilern werde. Ich würde außerdem empfehlen die ersten zwei Kapitel von Flying High schon zu kennen, denn diese Rezension macht keinen Sinn, wenn man von einer bestimmten Sache als Handlungsschwerpunkt ausgeht. Zuletzt gibt es auch für dieses Buch wieder eine Triggerwarnung zu Beginn. Es handelt sich um dieselben Trigger wie bei Falling Fast.
Zum Inhalt
Hailee hatte ein Geheimnis. Ein dunkles Geheimnis, das niemand kannte und niemand erfahren sollte. Am allerwenigsten Chase, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat. Hailee war klar, dass sie Chase verlieren würde. Sie wusste es von der ersten Sekunde an, als sie ihm gegenüberstand. Und doch hat er ihr Herz mit jedem Lächeln und jeder Berührung ein bisschen mehr erobert. Aber gibt es für sie beide überhaupt eine Chance? Oder müssen sie einsehen, dass manchmal nicht einmal die Liebe ausreicht, um zwei Menschen zusammenzuhalten?
Klappentext von LYX
Davon, wie man weiterleben soll
Die erste Hälfte des Buches war wahnsinnig emotional und hart zu lesen. Hailees Gedanken waren jetzt so ausdrucksstark und präzise, wie sie es sich in Falling Fast nicht erlaubt hat; durch ihren Suizuidversuch riss sie alle Wunden auf und musste sich mit der Realität auseinander setzen: Dem Tod ihrer zwei wichtigsten Bezugspersonen und dem Wegbrechen jeglichen emotionales Halts, den sie in Katie und Jesper hatte. Hailees Gefühlswelt war teilweise wahnsinnig erdrückend, sodass ich nur wenige Seiten lesen konnte, bevor es mich selbst zu sehr beeinflusst hat. Bianca Iosivoni gibt sich viel Mühe, Hailees innere Kämpfe darzustellen und für mich hat es sehr gut funktioniert. Manchmal wurden mir einige Umstände zu oft auf die gleiche Weise betont, allerdings bin ich auch dankbar, dass so sehr darauf geachtet wurde, deutlich zu machen, was Hailee durchlebt. Sie kämpft ebenfalls mit Survivors Guilt, der Schuld am Leben zu sein, sie fühlt sich, als wenn der falsche Zwilling gestorben ist und hat in der Trauerphase auch keine gegenteiligen Argumente bekommen. Allgemein fokussiert dieses Buch viel auf Trauerbewältigung, auf Kommunikation und sozialen Halt. Hailees Eltern spielen ab einem Punkt eine wichtige Rolle und ihr Auftreten bringt viel Licht in die Zeit direkt nach Katies Tod und wie Hailee zu ihrem Entschluss kam. Es hat mich viele Kapitel sehr wütend gemacht, was da zwischen den Eltern und Hailee passiert ist, wobei die Reaktion ihrer Eltern auch verständlich dargestellt war.
Nichts ist so, wie es sein sollte, und das ist meine Schuld.
S. 29
Besonders gut fand ich, dass sich damit auseinander gesetzt wird, wie suizidal Hailee wirklich war. Dieses Buch versucht nicht Suizid zu romantisieren, sondern den ohnmächtigen Versuch einer Person zu zeigen, die nicht mehr weiß, wie sie weiterleben soll. Wie sie verarbeiten soll, was passiert ist. Eine Konsequenz, die sich nicht vorhergesehen hat, ist, wie ihre Mitmenschen mit ihr umgehen werden, wie ihr Versuch, sich das das Leben zu nehmen, jede Beziehung korrumpiert hat. Denn Suizid beeinflusst nicht nur das Leben einer einzigen Person, sondern alle um sie herum und das fand ich ganz wichtig und wunderbar, als es gezeigt wurde.
Gedanken als Hinterbliebener
Chase hat auch in diesem Buch seine Kapitel und wären sie nicht gewesen, hätte ich für das Buch noch sehr viel länger gebraucht. Chase muss ebenfalls damit zurecht kommen, was Hailee versucht hat; seine Perspektive hat die Düsternis stellenweise aber gut aufgelockert. Er hat seinen eigenen Handlungsstrang, der sich ab einem gewissen Punkt sehr von dem Hailees entfernt und ich fand ihn teilweise spannender, weil wirklich etwas passier ist. Die Handlung hat sich bei Chase bewegt, Dinge sind passiert, während Hailees Kapitel zum großen Teil viel Kopflastiger waren und viel Gedanken-herum-wälzen beinhaltet haben. Diese Abwechslung war nötig, wie ich finde, damit man das Buch verarbeiten kann. Hierbei hat mir besonders gut gefallen, dass es keinen Ansatz von „Liebe heilt alle Wunden“ gibt, denn die Beziehung ist durch Hailees Suizidalität stark belastet und beide wissen nicht, ob sie mit diesem Wissen weiter eine gesunde Beziehung führen können.
„Ich … ich habe keine Ahnung, was ich denken oder fühlen soll. Ich weiß nicht mehr, was noch richtig und was falsch ist.“
S. 57
Kritik ansprechen
Als Falling Fast erschien und die ersten Rezensionen geschrieben wurden, begegnete mir immer öfter Empörung über das Motto der Dilogie und wie falsch es sei. Allein mit dem Wissen aus Falling Fast ist diese Annahme auch keinesfalls falsch, denn „Sei mutig“ kann mit dem wenigen Hintergrundwissen schnell toxisch wirken. Mit diesem Buch erhält man die nötigen Informationen um zu verstehen, was Hailee eigentlich erdrückt und wie sie es zu lösen versucht. Sie lernt ebenfalls, dass dies nicht der richtige Weg ist und es wird offen über ihre Therapie gesprochen und ich hatte nicht den Eindruck, dass die Genesung romantisiert oder vereinfacht wird. Ich würde auf jeden Fall empfehlen Flying High noch zu lesen, weil ich finde, dass es viel Kritik entschärft und Dinge richtig stellt.
Fazit
Flying High ist der informationsreichere, emotionalere Teil der Dilogie, der mir persönlich von der Aussage her besser gefallen hat, auch wenn er schwerer zu lesen war. Er ist ein unerlässlicher Teil der Fairwood-Dilogie.
Flying High
Verlag: Lyx ・Seiten: 411 ・Format: Klappenbroschur, eBook, Hörbuch ・Preis: 12,90€ (TB); 9,99€ (ePub); 13,99€ (Audio) ・Erscheinungstermin: 29. Juli 2019 ・Link zur Verlagsseite
Amelie meint
Hallo, ich würde gerne wissen wollen, wie Katie gestorben ist. Könntest du mir die Frage beantworten?
Mit freundlichen Grüßen
Amelie 🙂
Friederike meint
Hallo Amelie,
ich kann dir die Frage gerne beantworten, aber wäre es okay, wenn ich dir eine E-Mail dazu schreibe? Ich möchte ungern jemanden spoilern, der das Buch noch nicht kennt.
Ich hoffe, du verstehst das.
Liebe Grüße
Friederike.
stella meint
Hey 🙂
Meiner Meinung nach hätte die Autorin es hier bei einem Band belassen sollen und das Buch nicht in zwei Bände splitten sollen. Mir ist die Thematik schon im ersten Teil bitter aufgestoßen und wurde absolut falsch behandelt. Da fiel vor allem das Feingefühl. Auch wenn der zweite Teil für Aufklärung sorgt, möchte ich nicht mehr weiterlesen. Auch dieses Splitten stößt mir bitter auf. Auf diese Art von Marketing springen ja leider immer mehr Verlage auf.
Dennoch toller Einblick von dir ♥
Liebe Grüße, Stella
Friederike meint
Liebe Stella,
das verstehe ich gut. Ich habe selber mit dem Thema keine Erfahrung und kann mir also kaum vorstellen, wie man es gut handhaben muss, kann aber irgendwo die Entscheidung zwei Bände zu machen, ganz gut verstehen. Obwohl es einen schlechten Fokus legt, da stimme ich dir zu. Ich hoffe, dass die Buchbranche vielleicht etwas daraus lernt und in Zukunft noch besser mit solchen Themen umgeht.
Danke für dein ehrliches Feedback, ich habe mich sehr darüber gefreut.
Alles Liebe
Friederike