Wahrscheinlich hat so ziemlich jeder Buchblogger auf Instagram Anabelle Stehls Liebe zu Irland mitbekommen. Kein Wunder also, dass ich an dem Leseprobengewinnspiel teil nahm, als sie begann dieses Buch zu bewerben. Über eine Social Media Aktion kam ich an mein Rezensionsexemplar und freute mich ein neues Buch aus dem bold-Verlag lesen zu dürfen. Da die Aktion noch einen weiteren Bonus hatte – nämlich, das Buch an eine Freundin schicken zu lassen -, konnte ich es zusammen mit Katharina (@traumrealistin) lesen, als ich in Greifswald war, was einfach die beste Art ist ein Buch zu lesen. Der Austausch zur Handlung und den Figuren macht einfach so viel mehr Spaß, wenn man sich gegenüber sitzt und nicht erst zum Handy greifen muss.
Darum gehts
Aisling ist 28, hat einen Job, den sie nicht hasst, einen Freund, eine tolle Familie und trotzdem fühlt sich ihr Leben an, als ob es stagniert. Um sie herum beginnen Paare zu heiraten und John, ihr Freund, scheint keinerlei Absichten in diese Richtung zu haben. Spitze Kommentare von Kollegen und zu viel Verständnis oder Mutzusprechungen von Freunden animieren Aisling schließlich John zu einem spontanen Urlaub zu überreden. In dem er hoffentlich den Wink mit dem Zaunpfahl versteht. Aber es läuft anders als geplant und plötzlich ist Aisling wieder single und zieht in eine WG in Dublin ein.
Meine Meinung
Das wohl wichtigste zuerst: Aisling wird wie Äschling ausgesprochen. Iren haben einfach die merkwürdigsten phonologischen Regeln und meine innere Linguistin würde zu gerne mal in eines ihrer phonologischen Seminare reingucken, aber das wird so schnell nicht passieren. Deswegen kann ich dieses Video, wo eine Irin gängige irische Namen vorspricht, sehr empfehlen. Denn Aisling ist nicht der einzige komplizierte Name in diesem Buch. (Ich sage nur: Sadhbh.)
Ich hatte mir von diesem Buch eigentlich genau das versprochen, was ich auch bekommen habe: Einen unterhaltsamen Roman über eine Altersgruppe, in die ich gerade nicht passe. Mein Motto diesen Sommer ist irgendwie, die Probleme meiner Altersklasse zu verdrängen und Romane zu lesen, wo die Figuren entweder etwas jünger oder etwas älter sind, als ich. Aisling passt da genau ins Schema, denn sie hat bereits einen Job, will Heiraten und einen Familie gründen.
Warum benutzen sie in Aufzügen dasselbe Licht wie im Supermarkt an der Fleischtheke? Ich sehe aus wie ein Hühnerschenkel, kurz bevor er schlecht wird, bleich und runzlig und traurig.
OMG, diese Aisling!
Das Problem mit Aisling war, dass sie eine Menge weiß und erzählt. Sie ist eine sehr präsente Protagonistin, kann zu jeder Figur eine Geschichte erzählen, hat eine Meinung dazu und oftmals auch witzige, aber fiese Kommentare dazu. Gestört hat mich da besonders, dass sie den Begriff Saftschubse verwendet hat und von der Offenbarung eines homosexuellen Pärchens soo überrascht war. Und dann einen Kommentar über ihr Aussehen hinterher geschoben hat, und das man ihnen ihre Homosexualität nicht ansehen kann. Diese Gedanken gründen auf ihrer etwas naiven und weltfremden Einstellung, de facto weiß sie es nicht besser, aber gefallen hat es mir dennoch nicht. Aisling erzählt so viel über ihre Mitmenschen, dass ich teilweise mehr über ihre Arbeitskollegen weiß, als über sie. Der Erzählstil lenkt öfter von der Handlung um Aisling ab und hebt Nebenfiguren in den Vordergrund, zudem vergleicht sich Aisling auch oft mit ihren Mitmenschen, was selten ein positives Gefühl hinterlassen hat. Sie umsorgt Menschen dennoch gerne, ist auf alle Eventualitäten vorbereitet (Ich will gar nicht wissen, wie riesig ihre Handtasche deswegen sein muss.) und passt deswegen wohl perfekt in ein irisches Klischee rein. Aisling macht sich unglaublich viele Gedanken über alles, was auch dazu führt, dass sie manchmal überreagiert, weil ihr zu viele Möglichkeiten und Ideen durch den Kopf schießen. Beispielsweise ist ihre Kommunikation mit John deswegen sehr eingeschränkt, sie erwartet Dinge von ihm, die sie nie klar und laut ausgesprochen hat und ist dann sauer, wenn er keine Gedanken lesen kann.
Die versprochene Handlung tritt auch eher spät ein, man lernt erstmal eine Menge über Aislings und Johns Beziehung und Aislings Leben allgemein, bis sie sich entscheidet eine Veränderung vorzunehmen. Da war der Klappentext etwas irreführend und große Überraschungsmomente kamen nicht mehr auf.
Was mir an dem Buch wirklich unglaublich gut gefallen hat, ist das Lebensgefühl, das transportiert wurde. Die Landschaft war toll beschrieben, ich hatte nicht das Gefühl, das etwas beschönigt wurde. Die abendlichen Pub-Treffen haben Spaß gemacht, die Atmosphäre in einem Pub ist so unangestrengt und heimelig, das ich immer gerne davon gelesen habe. Auch die etwas rudimentären Methoden des Landlebens waren spannend und witzig, ich komme zwar selber aus einem 300 Seelen Dorf, aber das war nochmal ein anderes Kaliber.
Im Laufe des Buches rückte die Handlung um Aisling manchmal in den Hintergrund, weil so viel über Nebenhandlungen erzählt wurde. Diese Nebenhandlungen war gut gemacht und boten ein gewisse Tiefe, aber ich war mir nicht immer sicher, wie das jetzt in das Gesamtbild einzuordnen ist. Denn es gab, wie ich fand, nur eine sehr kleine und schleichende Entwicklung in diesem Buch. Aisling lernt vieles kennen und muss einige Dinge aus anderen Blickwinkeln betrachten, aber der Prozess des Überdenkens geht bei ihr sehr langsam von statten. Am Ende des Romans hatte ich das Gefühl, dass wir ihre Charakterentwicklung gerade erst angekratzt haben und da noch eine Menge passieren wird. Nur eben in den folgenden Büchern. Denn die Geschichte um Aisling geht – zumindest auf Englisch – noch mit einem zweiten und dritten Band weiter.
Es wird Zeit, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe, dass ich mein Schicksal selbst lenke, dass ich herausfinde, was ich will – für mich selbst und nicht für jemand anderen.
OMG, diese Aisling!
Nun spielt das Buch wohl mit irischen Klischees. Mein Problem war aber, das ich wirklich nicht viel über irische Klischees wusste und es somit schwer ersichtlich war, ob Aisling einfach nur Aisling war oder da gerade ein Klischee verarbeitet und auf die Schippe genommen wurde. Es las sich wie ein Buch von Iren für Iren, aber als Außenstehender hat man eben keine Ahnung davon. Und dann war ich mir nie sicher, ob ich über Aisling jetzt lachen soll, oder sie lieb finden. Es war ein merkwürdiger Unterton in diesem Buch, wo Aisling fast lächerlich gemacht wurde, was mir sinnlos und gemein erschien.
Obwohl ich das Bedürfnis nach einem solchen Buch hatte, denke ich, dass ich mit meinen 21 Jahren noch nicht zur perfekten Zielgruppe gehöre. Es geht in diesem Buch um Dinge wie Selbstverwirklichung, nur auf einer sehr viel kleineren Ebene, als beispielsweise in einem New Adult Roman. Aisling muss in ihrem vornehmlichen Traumleben ihren Platz finden und realisieren, dass sie eventuell kleine Änderungen an ihrem Traum vornehmen muss und das sie es sein muss, die das tut. Das ist an sich eine gute und wichtige Botschaft und die kleinen Unabhängigkeiten, die sie sich erkämpft, sind toll. Dennoch habe ich mich ein bisschen verloren gefühlt und konnte zu ihr nicht die Bindung aufbauen, die ich mir erhoffte.
OMG, diese Aisling!
übersetzt von: Barbara König | Seiten: 332 | Verlag: bold | Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook | Preis: 14,90€ (TB); 12,99€ (ePub) | Erscheinungstermin: 23. August 2019 | Link zur Verlagsseite
*Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!
[…] Je länger ich Anabelle beim schwärmen zuhöre, desto angenehmer finde ich das Buch. Vielleicht lässt mich auch meiner Erinnerung im Stich, Fakt ist aber, dass ich das Buch gelesen und für „ganz gut“ befunden habe. Mehr dazu gibt es wie immer in der Rezension. […]