Wie bei so vielen anderen Bloggern, Booktubern und Influencern könnt ihr heute auch bei mir die Rezension zu Hank Greens Debut-Roman finden. Hank Green sollte jedem ein Begriff sein, der auch John Green kennt und wer John Green nicht kennt: Ein Jugendbuchautor, der mit viel Witz auch schwere Geschichten erzählt. John Greens Bruder Hank hat nun ein Buch geschrieben, dass bereits letzten Herbst in den USA erschienen ist und aufgrund Hanks Popularität einen gewissen Rummel ausgelöst hat. Nun habe ich das Buch gelesen und kann einiges verstehen, anderes wiederum nicht.
Darum gehts
April May ist mir ihrem Leben so halb zufrieden, als sie eines Nachts in New York einen gigantischen Roboter entdeckt, den sie als Kunstprojekt interpretiert und zusammen mit ihrem Kumpel Andy mitten in der Nacht ein kleines Video dreht, weil sie keine ignorante New Yorkerin sein will. Am nächsten Morgen ist das Video bereits weltweit bekannt, da nicht nur ein “Carl” – so taufte April den Roboter kurzerhand – sonder 64 Carls in allen großen Städten der Welt aufgetaucht sind. Plötzlich findet sich April in Mitten eines giganten Medienrummels wieder, da sie als Erste etwas dazu zu sagen hatte. Und dabei ist die Frage nach dem Warum und Wie der Carls noch gar nicht geklärt.
Meine Meinung
Das Schlechte zuerst: Mir ist schon lange nicht mehr eine so unsympathische Protagonistin begegnet. April May ist wahnsinnig ignorant, kurzsichtig, selbstbezogen, impulsiv, erfolgsgeil, stur, anmaßend und naiv. Und das macht sie leider auch zur perfekten Protagonistin für dieses Buch.
Mein Leseerlebnis war durchgehend heiß und kalt. Es hat etwas kalt angefangen, da Hank Green nicht mit Informationen spart und den Leser gerne torpediert, mit scheinbar allem, was ihm – oder seiner Protagonistin – so alles durch den Kopf geschossen ist. Mit Voranschreiten des Buches erkennt man dahinter langsam ein System, ein sehr gut funktionierendes zudem. Er schafft es nämlich wunderbar komplexere Sachverhalte in Altagssprache zu übersetzen und so den Einstieg in Sci-Fi zu vereinfachen. Dennoch fand ich den Anfang schwierig, es passierte wenig Spannendes, April war gelangweilt und etwas weltressistend und die Handlung fokussierte für meinen Geschmack zu sehr darauf die Figuren einzuführen. Gleichzeitig hat der Autor April direkt zum Leser sprechen lassen, sie hat auf die Geschehnisse zurück geblickt, während sie davon erzählt hat, hat einige fiese Kommentare zu sich und anderen abgegeben und immer den Hinweis auf “da steckt mehr dahinter” gegeben. Es war unterhaltsam, auf eine etwas fiese, abschätzige Art.
Nach ungefähr 60 bis 80 Seiten wurde es langsam spannender, weil endlich der Science Fiction Aspekt dieses Buches ins Rollen kam: Das Warum der Carls. Diese sehr großen, unbeweglichen Roboter wurden im Buch erforscht und das Rätsel-raten und Herausfinden hat mir am meisten Spaß gemacht, weil Aprils nervige Erzählstimme dann für einen Moment in den Hintergrund gerückt ist. Dennoch kam sie oft genug wieder in den Vordergrund um mich zu nerven und ärgern und oft habe ich wegen ihr eine kurze Pause gebraucht. Der Spannungsbogen war teilweise etwas holprig, was auch viel mit Aprils Aufmerksamheit zu tun hatte, weil sie natürlich nicht alle Dinge gleichzeitig machen konnte und manchmal auch zu sehr in bestimmten Mustern festgefahren war.
Carls Anziehungskraft war so stark, dass wir uns ihr einfach ergaben. Ich traf Entscheidungen, ziemlich dumme Entscheidungen, aber so fühlten sie sich in dem Moment für mich nicht an.
S.123
April passiert etwas, dem wohl jeder etwas größere “Influencer” (um damit mal einen Oberbegriff für jegliche Menschen mit einer großen digitalen Reichweite zu benennen) schon einmal gegenüber stand: Einfluss. Seit dem viralen Video bekommt April May eine Menge Aufmerksamkeit geschenkt und ihr wird auch von allen Seiten geraten, diese zu nutzen. Von der etwas zynischen jungen Frau, die keine Nachrichten schaut und höchstens mal auf Instagram unterwegs ist, wird April zu einer stark vernetzen, Allzeit-twitternden, Geld-scheffelnden Person, die lieber ihren Followern beim wachsen zusieht, als sich um die Menschen zu kümmern, die sie auch schon vorher mochten.
Während die Geschichte um die Carls und Aprils Weg diese zu ergründen erzählt wird, wird ebenfalls der Umgang einer möglichen Alien-Invasion durch die Medien & Menschheit angesprochen. Ich bin stark beeindruckt davon, wie gut Hank Green die aktuelle Lage getroffen hat und wie Vernetzung, Extremismus und Medien allgemein die Wahrnehmung verändern können. Und auch, wie beschränkt wir Menschen immer noch denken. April, die offiziell als Carl-Botschafterin fungiert, bekommt nämlich ein Briefing wie sie sich in der Öffentlichkeit zeigen soll und ihre Bisexualität wird deswegen ganz schnell zur Homosexualität geändert, weil das einfacher zu verstehen ist; nur damit sie später darauf reduziert wird und es ihr in den Hinter beißt. Unsere Wahrnehmung hängt auch immer davon ab, wie wir die Person, die wir damit in Verbindung bringen wahrnehmen und das zeigt dieses Buch.
Bisher habe ich nicht viel zu den Carls geschrieben, aber das will ich auch nicht, weil jedes bisschen Information schon zu viel ist. Es ist eine abgedrehte, krasse und recht witzige Interpretation von Außerirdischem Leben – eher Intelligenz – die durch ihren Überraschungseffekt besticht. Die Referenzen zu Popkultur, einarbeiten alltäglicher Hilfsmittel und Irrwitzigkeit der Carls ist eine Alien-Form die ich gerne öfter lesen möchte. Dabei liegt dem allen eine entscheidende Frage zugrunde: Was ist, wenn das Außerirdische Leben weiter entwickelt ist, als wir?
Sollte man dieses Buch also lesen? Ja. Hank Green hat eine wahnsinnig spannende, realistische und kritische Geschichte rund um unsere aktuelle Gesellschaft gesponnen, die auch für Einsteiger ins Sci-Fi-Genre gut zu lesen ist. Mein größtes Problem war Protagonistin April und ihre diversen Eigenschaften und schlechten Entscheidungen.
übersetzt von: Katarina Ganslandt – Verlag: bold – Seiten: 443 – Format: Hardcover, eBook – Preis: 22,00 (HC); 18,99 (ePub) – Erscheinungstermin: 28. Februar 2019 – Neugierig?
Vielen Dank an den Verlag für die unangefragte Zusendung eines Rezensionsexemplares und der Bücher für den Book Drop.
Stella meint
Hey 🙂
ich habe jetzt schon so viele positive Stimmen zu dem Buch gehört. Ich muss es einfach haben. Und ich finde es echt witzig, dass es der Bruder von John Green ist. Das Talent liegt scheinbar in der Familie. 🙂 Danke für die tolle Rezension.
Liebste Grüße, Stella
Friederike meint
Hey Stella,
Danke für deinen Kommentar, um dieses Buch ist man in den letzten Tagen ja echt nicht drum herum gekommen, was aber teilweise wirklich verdient ist, wie ich finde. Je mehr ich über EweD nachdenke, umso besser finde ich es und hoffe sehr, dass die Green Brüder weiterhin so relevante Bücher schreiben, ohne dabei langweilig zu werden. Das ist ein echtes Talent.
Alles Liebe
Friederike.
Ivy meint
Eine wirklich tolle Rezension. Ich habe das Buch absolut geliebt. Von der ersten Seite bis zur letzten hat es mich begeistert und das obwohl verhältnismäßig irgendwie kaum was passiert. Es ist ein unglaublich ruhiges Buch und doch absolut spannungsgeladen. Ich konnte es einfach nicht aus der Hand nehmen und finde es großartig, wie Hank Green das Thema Menschlichkeit hier in den Vordergrund gestellt hat und sich dabei an Themen bedient hat, die uns in der heutigen Zeit wohl alle betreffen.
Ich bin ein Fan und freue mich schon sehr auf den zweiten Teil 🙂
Liebste Grüße
Ivy
Friederike meint
Du hast absolut recht, Hank Green hat ein wirklich erstaunliches Buch geschrieben, haha. Ich hoffe sehr, dass die Themen, die er anspricht auch zukünftig verwendet werden, ich finde, dass wir noch eine Menge dazu lernen können. Und nach dem Ende will wohl jeder wissen, was April passiert ist. Vielen Dank für deinen Kommentar, ich habe mich sehr gefreut.
Alles Liebe und hab noch einen tollen Tag!
Friederike
Isabella meint
Ohja, du hast recht: Als Einstieg in Sci-Fi eignet sich das Buch wirklich wunderbar, daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Auch den Hinweis, dass sich die Wahrnehmung je nach der Perspektive verändert, die man in dem gesellschaftlichen Rollengeflecht einnimmt, kann man gar nicht oft genug hören. Ich mag deine Rezension super gerne, du darfst die nicht immer so unter Wert verkaufen 😛 Und ich finde es ziemlich cool, dass du bei dem Bookdrop mitgemacht hast – ich wollte kein Buch verteilen, das mich nicht voll und ganz überzeugt hat, aber das Konzept an sich finde ich genial! 🙂
Hab noch einen schönen Sonntag!
Isabella
Friederike meint
Ich fand es schon erstaunlich, dass sie mir den Book Drop angeboten haben und mochte die Idee zu sehr, um wegen persönlicher Vorlieben das Buch nicht zu verteilen. Und Danke für dein Lob, diese Rezension ist in einem sehr aufgewühlten Zustand geschrieben worden, weswegen es mich freut, dass man etwas daraus mitnehmen kann.
Ganz liebe Grüße an dich.
Friederike.