Ich setze meine film-affinen Leseabenteuer fort. Lustigerweise habe ich den Trailer zu Mortal Engines das erste Mal als Vorschau zu The Darkest Minds im Kino gesehen und seitdem hat er mich nicht wieder los gelassen. Allein schon die visuelle Stärke und das er von Peter Jackson gedreht wurde, habe ich mich angesprochen und natürlich musste in alter Tradition zuerst das Buch dazu gelesen werden. Ohje, ich war schon lange nicht mehr so enttäuscht.
Darum gehts
Traktion ist Leben! Nach einem verheerenden kurzen Krieg haben die Damaligen die Welt, wie wir sie kennen, ausgelöscht und die Menschheit in die Zeit der Industriellen Revolution zurück versetzt. Um zu Überleben mussten die Menschen mobil werden und so entstanden die Raubstädte. Auf der Raubstadt London gerät der junge Historikerlehrling Tom zwischen die Fronten zweier mächtiger Parteien, als er den obersten Historiker Londons retten will. Prompt dankt dieser es ihm damit, dass er versucht ihn umzubringen und Tom landet zusammen mit der jungen Hester in den unwirtlichen Jagdgründen, jenem Ort, wo Größe über Fressen oder gefressen werden entscheidet.
Meine Meinung
Ich hänge mal wieder in einem Zwiespalt. So fantastisch und spannend ich die Idee Philip Reeves auch finde, so lausig ist die Umsetzung.
Man steigt in dem Buch in die Handlung ein, ohne großartig viel erklärt zu bekommen. Technische Feinheiten werden nicht erklärt, genauso wenig die man eine gute Einführung in die Beweggründe des Städtedarwinismus bekommt, dem allgemeinen Begriff für das, was in dieser Buchreihe im Vordergrund steht. Ich kann es mir mittlerweile so vorstellen, dass nach einer Art Atomkrieg in unserer aktuellen Zeit – im Buch wird er nur „sechzig Minuten Krieg“ genannt – der technische Fortschritt stehen geblieben ist und die Fördermöglichkeiten und das Wissen größtenteils verloren gegangen ist. Zeitlich spielt die Handlung also in der Zukunft, ist aber technisch zurück gefallen. Die Welt besteht aus Resten, man baut mit dem, was man finden kann irgendwie irgendwas zusammen und hofft, dass es funktioniert. Überbleibsel der Damaligen (Sprich: uns) können nicht verwendet werden, CDs zum Beispiel sind eine hübsche, aber nutzlose Trophäe und Computer ein Buch mit sieben Siegeln.
Es gibt zwei sich bekämpfende Parteien: Die Traktionisten, die an den Städtedarwinismus glauben und die Antitraktionisten, die dagegen sind. Die Antitraktionisten haben einen großen Stützpunkt, der als Uneinnehmbar gilt und agieren oft mit Flugapparaten. London wurde vor ein paar Jahren von einem Bürgermeister übernommen, der zuvor Ingenieur war und eine besondere Zukunftsversion von London hat, weswegen London auch zurück in die große Jagdgründe kehrt, anstatt auf der sicheren britischen Insel zu bleiben. Das Leben in London ist stark in Klassen eingeteilt, Aufsteigen ist schwierig, Absteigen dafür umso leichter und natürlich werden die Menschen immer ärmer und die Bedingungen immer schlechter, je weiter unten man steht. Durch das „Fressen“ anderer Städte, bekommt London Baumaterialien, Nährstoffe und Arbeiter, im Prinzip wird alles recycelt was geht.
Das Buch wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wie zum Beispiel einem Cyborgähnlichen Wesen, das als Kopfgeldjäger Hester Shaw verfolgt oder der Tochter des Bösewichts Valentine. Als Leser bekommt man also mit, was bei den unterschiedlichen Fronten passiert, was zum Ende hin, immer wichtiger wird, da viele Stränge zusammen laufen. Den Mittelpunkt aber bilden Tom und Hester Shaw: Tom wuchs in London auf und kennt nichts anderes als Raubstädte. Hester ist ein junges Mädchen voller Wut auf den obersten Historiker Londons, Thaddeus Valentine, der einst ihre Eltern umbrachte. Sie hat nur ein Ziel: Valentine töten. Und da beginnen die Probleme: Die Figuren bleiben flach. Sie haben eine einzige Motivation, die ein bisschen konfrontiert wird, allerdings halten wirklich alle erzählenden Figuren bis zum Ende an ihrer ursprünglichen Meinung fest, nur um dann blitzartig und nicht nachvollziehbar ihre Meinung zu ändern. Da das alles fast gleichzeitig passiert ist das Ende recht turbulent. Anhand des Schreibstils bekommt man allgemein nur wenig Einblick in ihre Köpfe, es muss gesagt werden, was die Handlung voran treibt und eventuell ein bisschen Witz in die Situation bringt, ansonsten gibt es nicht viel anderes. In den circa 330 Seiten passiert recht viel, weil der Autor sich nicht groß mit Erklärungen aufhält, man kann zu den Figuren keine Bindung aufbauen, kann nicht mitfiebern und wird mit ein paar dramatischen Phrasen abgespeist, wenn es brenzlig wird. Die eigentliche Handlung war nicht schlecht gemacht, das Ende hat mich zum Beispiel sehr überrascht, einige Figuren haben mehr Courage gezeigt, als ich es ihnen zugetraut hatte, was aber leider nicht zu einer wirklichen Charakterentwicklung geführt hat.
Zusätzlich hat mich besonders gestört, dass Hesters Verletzung von Tom viel zu sehr in den Vordergrund gehoben wird. Valentine hat Hester als Kind schwer verletzt und in dessen Folge hat sie ein Auge und einen Teil ihrer Nase verloren, ihr Lächeln ist aufgrund einer riesigen Narbe schief (Hallo, Mad Eye Moddy!). Für Tom ist sie hässlich. Immer wieder. Wenn Tom an Hester denkt, fällt ihm zuerst ein wie Hässlich sie aussieht, erst an zweiter Stelle kommen dann ihre Überlebensstrategien und Kampfqualitäten und das ändert sich bis zum Ende des Buches nicht. Die Liebesgeschichte, die da entstehen soll, ist übrigens genau deswegen schlecht nachvollziehbar.
Ich bin von diesem Buch dennoch sehr enttäuscht, der Schreibstil war zu einfach; zu seicht, um mich wirklich fesseln zu können. Ich habe die Figuren nicht gemocht oder nachvollziehen können und habe einzig deswegen weiter gelesen, weil ich die Welt recht faszinierend fand. Allerdings fehlen mir auch hier wesentliche Erklärungen. Ob ich den Film nun gucken werde, weiß ich nicht, besonders da er wohl die Probleme des Buches nicht überwinden kann.
übersetzt von: Gesine Schröder & Nadine Püschel • Verlag: Fischer TOR • Seiten: 332 • Format: Taschenbuch mit Klappenbroschur, eBook • Preis: 12€ (TB); 9,99€ (ePub) • Erscheinungstermin: 24. Oktober 2018 • Neugierig?
Liebe Friederike,
ich habe das Buch nicht gelesen, weil ich viele ähnliche Meinungen wie deine gehört habe. Hauptsächlich wurde kritisiert, dass sich die Figuren sehr jung benehmen und das Buch wirkt, als sei es für Kinder geschrieben, obwohl das nicht passend wäre. Ich kann es nicht beurteilen, aber deine Rezension bestärkt mich auf jeden Fall in dem Gedanken, nicht zu dem Buch zu greifen.
Ich habe mir den Film jedoch im Kino angeschaut und fand ihn recht unterhaltsam. Es war jetzt nicht das Gelbe vom Ei, aber für einen schönen Kinoabend auf jeden Fall sehenswert! Mein größtes Problem im Film waren zwei Dinge. Einmal das Ende, denn das passierte viel zu schnell und vor allem viel zu abrupt. Es wirkte so überstürzt, ich weiß auch nicht, was da los war … Das zweite Problem hatte ich mit Robert Sheehan, der Tom spielt. Es liegt auch nicht am Schauspieler selbst oder seiner Leistung, sondern an der Verknüpfung, die ich zu dem Schauspieler habe. Ich habe vor vielen Jahren die Serie »Misfits« begonnen, in der er eine der Hauptrollen spielt und seine Figur in der Serie ist einfach die albernste Figur, die du dir vorstellen kannst. Ich konnte ihn einfach nicht in einer ernsteren Rolle sehen 😀
Alles Liebe und dir einen guten Rutsch!
Janika
Liebe Janika,
ich kenne Robert Sheehan zwar hauptsächlich als Simon aus dem City of Bones Film, habe aber auch mal kurz in Misfits reingeschaut (Da allerdings wegen Iwan Rheon.) und kann deine Verwirrung nachvollziehen. Der Schauspieler hat einfach krassen Wiedererkennungswert, was zwar gut für einen Film ist, ihn aber irgendwie für mich nicht gut als neue Figur etablierbar macht.
Soweit ich weiß, wurde am Ende vom Film einiges geändert, gerade dieses Amulett, dass Medusa abschaltet gibt es im Buch nicht, da wurde es viel logischer erklärt. Ich denke nicht, dass ich den Film noch im Kino sehen werde, da ist mir mein Geld gerade etwas zu Schade für, aber er wird bestimmt demnächst auf irgendwelchen Streamingplattformen landen, da werde ich dann wohl mal reinschauen und wenn es nur wegen der Effekte ist.
Ich habe tatsächlich bisher kaum negative Meinungen zu dem Buch gelesen, aber das liegt bestimmt am Instagramalogrithmus, der das Buch ja eine Zeit lang überall hoch geschoben hat.
Und ja, die Figuren waren wirklich absolut kindisch. #AugenverdrehendkopfgegendieWandschlagendkindisch.
Alles Liebe,
Friederike.